© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Grill am Mann
Oft kopiert, nie erreicht: Der Bauchladenrost schreibt Erfolgsgeschichte, nicht nur in Berlin
Toni Roidl

Welchen Zeitgeistmoden der Imbiß zwischendurch auch immer unterworfen ist, eins geht immer: die gute alte Bratwurst mit Brötchen. Dem Wurstverkäufer sichert der überschaubare Wareneinsatz einen satten Gewinn. Vor allem, wenn man die Kosten stationärer Infrastruktur wie Lokalmiete einspart. Außerdem ist das Imbißgeschäft extrem standortabhängig. Kasse macht der, der den Strömen hungriger Passanten einfach folgen kann.

Aus dieser Idee entwickelte der Berliner Bertram Rohloff Anfang des Millenniums eine mobile Apparatur, bei welcher der Wurstverkäufer selbst zum Teil des Grills wird. Rohloff meldete seinen „Grillwalker“ zum Patent an. Die Urversion war noch ein ziemliches Ungetüm. Das erste Gestell aus Grill, Gasflasche und Sonnenschirm wog 26 Kilogramm. Moderne Modelle sind mit einem Leergewicht von 16 Kilogramm wesentlich leichter. Während die Kunden gleich anbissen, schmeckte den Ordnungsbehörden das neue Konzept erstmal nicht. Das Berliner Oberverwaltungsgericht hatte die Frage zu klären, ob es sich beim mobilen Bratwurst-Betrieb um „straßenrechtlichen Gemeingebrauch“ oder eine „Sondernutzung“ handelt. Die Richter entschieden sich für letzteres, weshalb der Ein-Mann-Grill neben Reisegewerbekarte eine „wegerechtliche Sondernutzungserlaubnis“ benötigt. Dafür entfällt eine Standgenehmigung, weil der Grill rechtlich als Bauchladen gilt.

Weil dieser Bauchladen auf die Dauer ganz schön schwer wird, arbeiten die meisten „Grillwalker“ im Zweierteam. Während einer grillt, holt der andere Nachschub oder sorgt ganz einfach für die Sicherheit, denn das klobige Tragegestell macht den Griller gegenüber Kassendieben oder jugendlichen Vandalen unbeweglich. Trotz des doppelten Personaleinsatzes ist der Betrieb rentabel. Der Einkaufspreis für eine gute 85-Gramm-Wurst plus Brötchen und Senf oder Ketchup liegt bei zirka 50 Cent, bei einem Verkaufspreis von durchschnittlich 1,30 Euro. Manche Lieferanten verlangen eine Mindestabnahmemenge pro Woche. Für einen ordentlichen Gewinn ist eine Mindest-Verkaufsfrequenz von 200 Bratwürsten pro Tag nötig.

Der Ein-Mann-Griller trägt Unternehmerrisiko: Preisdruck durch Wurstlieferanten oder Unwägbarkeiten wie Lebensmittelskandale. Trotzdem steigt die Zahl der Nachahmer im Brat-Geschäft ständig. Das führt auch zu größerem Wettbewerb unter den Vertreibern und Vermietern mobiler Grillgeräte. Rund 5.000 Euro kostet eine Vollausstattung. Einige Hersteller bieten sogar einen Komplettservice inklusive Kalkulation des Geschäftskonzeptes, Unterstützung bei Anträgen und so weiter.

Nach der Wurst kommt der Durst: Was paßt besser zur Bratwurst als ein kühles Helles? Im Gefolge der Grillwalker sind in vielen Innenstädten „Bierbiker“ mit Kiosk-Fahrrädern aufgekreuzt. Doch wie schon anfangs beim mobilen Wurstverkauf spüren die Behörden ein dringendes Regulierungsbedürfnis. Nach dem Verwaltungsgericht Düsseldorf urteilte das Oberverwaltungsgericht Münster, daß Bier-Fahrräder „nicht vorrangig Verkehrszwecken dienen und damit als genehmigungspflichtige Sondernutzung einzustufen sind“. Als Folge handhabt jede Kommune den Umgang mit ambulanten Wurst- und Bierhändlern individuell, teils mit absurden Regelungen. In Augsburg beispielsweise dürfen Wurst und Bier nur in Straßen verkauft werden, in denen es auch einen stationären Kiosk gibt.

www.grillwalker.de

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