© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Welkender Ruhm
Gentrifizierer, Autofahrer, Kinderschreck: Enthüllungsberichte bringen den Kreuzberger Politstar Hans-Christian Ströbele in Erklärungsnot
Ronald Gläser

Hans-Christian Ströbele ist sauer. „Das Demonstrationsverbot ist verfassungswidrig“, schimpfte er über den Polizeieinsatz in Frankfurt am Main am vergangenen Wochenende (siehe Seite 4). Die dort aktive Occupy-Bewegung gehöre zu den „wichtigsten sozialen Bewegungen unserer Zeit“, so Ströbele in seinem Youtube-Kanal. Denn: „Sie stellt das Bankensystem in Frage und das Gesellschaftssystem, das auf dem Profit weniger basiert.“

So kennen die Deutschen Hans-Christian Ströbele. Ganz weit linksaußen, ein Gegner von Banken, Krieg und Privateigentum, Freund des gewaltbereiten Schwarzen Blocks. Ströbele hat an diesem Bild selbst kräftig mitgefeilt. Unvergessen sind seine Wahlplakate mit der Aufschrift „Fischer quälen, Ströbele wählen“, mit denen er sich 2005 als linker Außenseiter innerhalb der Grünen präsentierte.

Doch jetzt kommen Zweifel auf. Ströbele erwächst ein Glaubwürdigkeitsproblem. Alles begann vor einem Jahr mit einer harmlosen Sache, die sich zur „Fischfutter-Affäre“ ausweitete: Ströbele und seine Frau waren in einem See, in dem auch geangelt wird, schwimmen. Zwei Jungs schossen mit kleinen Futterkugeln auf das Paar und trafen die Frau. Juliane Ströbele-Gregor erstattete daraufhin gegen einen 13jährigen Anzeige wegen „schwerer Körperverletzung mit einer Waffe“. Das brachte schlechte Presse und gehässige Facebook-Einträge. Ein Politiker, der sich für Deeskalation gegenüber linksextremen Straßenkriminellen einsetzt und dann Streit mit kleinen Jungs sucht, macht sich nicht eben beliebt.

Unerfreulich für den 72jährigen sind auch die Enthüllungsberichte über seinen wahren Wohnort. Offiziell wohnt er in seiner Anwaltskanzlei in Tiergarten. Die meisten seiner Wähler verorten ihn vermutlich in Kreuzberg, seinem Wahlkreis. Er gibt sich wie einer von ihnen, wohnt aber in Wirklichkeit nicht in dem Problembezirk, sondern in 1a-Lage – in Grunewald, einer der begehrtesten innerstädtischen Wohnlagen Berlins.

Erstmals wurde darüber im Februar im Cicero von seinem früheren Weggefährten Max Thomas Mehr berichtet, der sich auch darüber ausließ, wie Ströbele dereinst bei der taz die Fäden sponn: Überall mischte er sich ein und verfaßte „unter Pseudonym krude Kommentare“. Mehr wirft Ströbele „politische Schizophrenie“ vor.

Nun haben Recherchen des Deutschlandmagazins ergeben, daß Ströbele seine erste Eigentumswohnung mit einem zinsgünstigen Darlehen der Bundesbank gekauft hat. Bemerkenswert für einen Linken, für den Geschäfte mit der Zentralbank des verhaßten Staates tabu sein sollten. Inzwischen ist weiterer Besitz dazugekommen. Im Tiergarten besitzt er eine weitere Wohnung. Seine Frau ist obendrein Miteigentümerin eines Mietshauses im Prenzlauer Berg, einer Gegend, in der die Gentrifizierung besonders weit fortgeschritten ist: Modernisierungen führen dort zu erheblich steigenden Mieten, mit der Folge, daß Alteingesessene durch gutverdienende Zuzügler verdrängt werden.

Ströbele, dessen Pensionsanspruch aus seiner Zeit als Abgeordneter bei etwa 3.200 Euro im Monat liegen dürfte, hat noch im vergangenen Bundestagswahlkampf angeregt, „gegen die Mietsteigerungen und Vertreibungen gesetzgeberisch etwas zu machen“. Er gibt vor, gegen diese Entwicklung zu kämpfen, doch seine Frau kassiert Miete in einem betroffenen Stadtviertel. Nicht sehr konsequent. Wie Frau Ströbele zu dem Immobilienbesitz gekommen ist, ist nicht bekannt. Ihr gehören mehrere Wohnungen, die anderen zwei vermeintlichen Verwandten von ihr. Ströbele hat sich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT zu dieser Frage nicht geäußert.

Bleibt noch die Sache mit dem Fahrrad. Ständig ist Ströbele damit unterwegs. Oft wird er damit fotografiert. Er posiert regelrecht damit. Als das Fahrrad der ebenfalls aus Friedrichshain-Kreuzberg stammenden Abgeordneten Halina Wawzyniak (Linkspartei) kürzlich geklaut wurde, sprach kein Mensch in Berlin darüber. Aber als vor einigen Jahren Ströbeles Rad am Reichstag entwendet wurde, da sorgte dies für Schlagzeilen in der Tagespresse.

Sind Ströbeles Auftritte mit Fahrrad nur gestellt? Das Gerücht kursiert schon seit Jahren in Berlin: Ströbele nutzt den Drahtesel nur zur Show, fahre eigentlich mit dem Auto. Was bislang ein Verdacht war, ist nun Gewißheit, nachdem das Deutschlandmagazin Fotos eines linken Bundestagsmitarbeiters veröffentlicht hat, die zeigen, wie Ströbele sein Fahrrad aus seinem VW Touran auslädt, den er offenbar in Berlin-Mitte geparkt hat.

Natürlich ist das nur ein Detail. Wer will einem 72jährigen vorwerfen, daß er lieber mit dem Auto als mit dem Fahrrad fährt? Aber zusammen mit der geheimen Wohnadresse und dem diskreten Immobilien-Miniimperium entsteht das Bild von einem Berufspolitiker, der mehr schauspielernder Karrierist ist als linker Überzeugungstäter. Vor allem seine grüne Basis dürfte über diese Fakten nicht erfreut sein.

Foto: Hans-Christian Ströbele auf einer Demonstration gegen Gentrifizierung in Berlin: Politiker mit Fahrrad

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