© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

CD: Trobadors
Motz el Son
Andreas Zöllner

Die Schola Cantorum Basiliensis wurde 1933 von dem Dirigenten und Musikförderer Paul Sacher als private Forschungs- und Bildungseinrichtung ins Leben gerufen und später der Baseler Musikhochschule angegliedert. Miriam Andersén aus Schweden, Rebecca Bain aus Kanada und Susanne Ansorg aus Deutschland fanden sich bereits während ihres Studiums dort zu einem Ensemble zusammen. Die Musizierweise von Belladonna wurzelt in genauer Recherche und hingebender Spielfreude. Zum Festival Montalbâne auf der Burg Goseck an der Unstrut wurde ein Konzert der Gruppe mit Liedern der Trobadors aufgenommen. Das Programm besteht aus drei Teilen. Auf die Liebeslieder der ersten Periode folgen die dichtersängerischen Zeugnisse aus dem Umfeld der Albigenserkriege, um im letzten Abschnitt die Exil-Gesänge anklingen zu lassen.

Das Provenzalische steht als ebenso geschmeidige wie gezierte Kunstsprache am Beginn all dessen, was uns heute noch als Dichtung gilt. Dante verfolgt in der Komödie seinen Stammbaum zurück über den dolce stil nuovo und den aus Mantua stammenden Sordel, dessen berühmtes Klagelied „Planher vuelh en Blacatz“ auf dem Album enthalten ist. Ein Musterlied von der ewigen unerfüllten Sehnsucht nach dem tugendvollen Friedensherrscher, in dem der Dichter über die Schranken des ritterlichen Standes hinausdeutet. Vorgetragen wird dieses Lied ohne Instrumentalbegleitung, wodurch die Untrennbarkeit von Wortsinn und Sangesmelodie, provenzalisch „motz el son“, sich eindrucksvoll darstellt.

Die paraliturgische Geradlinigkeit der Melodie steht in einem seltsamen Verhältnis zur Zierlichkeit der Verse. Die waren zumeist voller Ironie und Witz. Anders als die Anakreontiker des 18. Jahrhunderts konnten die Sängerritter des 12. Jahrhunderts deutlich und fein zugleich sein. Das Lied des Giraut de Bornelh ist ein sphärisches Dahingleiten der Rezitation mit gelegentlichen Hebungen und Senkungen in Korrespondenz zum Harfenklang.

Vor allem in diesen ruhigeren, bedachtsamen Liedern ist das Trio beeindruckend. Es gibt keine Trommeln, Tamburins. Dafür klappert der Löffel, Glöckchen bimmeln. Schnalzend und federnd kommt das Lied des misogynen Macabru daher, der sich dem Minnespuk verwehrte, so wie in seiner Pastorela das Landmädchen die Offerten des Ritters entschieden zurückweist. Mit diesem zarten Liedchen zerschmetterte er das falsche Sentiment seiner Zeit. Das Mägdelein, das unweigerlich den Einflüsterungen des Galans erliegen muß, hatte als dichterisches Bild fortan ausgedient.

Aber zu schnell gleitet die Aufnahme in ein wiegendes Einerlei ab. Selbst oder gerade die Tatsache, daß es sich um eine Konzertaufnahme handelt, vermag das nicht zu ändern. Diese Musik benötigt die unmittelbare Resonanz der gestrichenen Därme und den Atemrhythmus der Sängerinnen. Haben die Stimmen doch alle einen sehr gegenwärtigen Klang, der die Akteure von dem Lebensgeist jener Zeit trennt. Wahrscheinlich stellt das Erleben homogener räumlicher Klangausbreitung beim Konzert diese Ungleichheit ins richtige Verhältnis und spendet jene zeitlose Gegenwart, die sowohl in den reinen Instrumental- wie den puren Vokalstücken der Platte anklingt.

Belladonna, Chanterai d‘Aquestz Trobadors Talaton, 2011 www.talanton.de

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