© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Frisch gepresst

Ernst Jünger. Zäh hält sich die Legende, Ernst Jünger erfreue sich in Frankreich größerer Beliebtheit als in seiner Heimat. Zum Auftakt seines Gesprächs mit dem Jünger-Kenner Alexander Pschera räumt sein Übersetzer Julien Hervier diesen „absolut falschen Gemeinplatz“ ebenso kühl ab wie die Ansicht, das Werk des einstigen Nationalrevolutionärs sei in französische Schulbücher eingesickert. Vielmehr verfüge er von jeher nur über einen kleinen Verehrerkreis, dem die auch hierzulande nicht ausgestorbenen Jünger-Hasser gegenüberstünden, die ihn unverdrossen als „Antidemokraten und Vorläufer des Faschismus“ stigmatisieren. Jenseits solcher Rezeptionsfragen konzentriert sich der Literaturwissenschaftler Hervier, der den 1988 von EJ „verstoßenen“ Henri Plard als „Chefübersetzer“ ablöste, auf persönliche Erinnerungen an den Wilflinger Maitre, auf dessen „französische Lektüren“, auf das Ineinander von Ordnung, Unordnung und Dekadenz in seinen Arbeiten sowie auf einen Vergleich mit dem „faschistischen Dandy“ Pierre Drieu la Rochelle. Die angehängte Korrespondenz bestätigt einmal mehr, daß an dem stets distanzierten Jünger kein bedeutender Briefschreiber verlorengegangen ist. (wm)

Julien Hervier /Alexander Pschera: Jünger und Frankreich – eine gefährliche Begegnung? Ein Pariser Gespräch. Matthes & Seitz, Berlin 2012, gebunden, 204 Seiten, 19,90 Euro

 

Heidegger. Eine Dissertation, die „Heidegger und das Politische“ zu untersuchen verspricht, muß sich den Anfangsverdacht gefallen lassen, „J’accuse-Typen“ (Carl Schmitt) vom Schlage Victor Farías’ oder Emmanuel Fayes zu folgen, die sich nicht entblödeten, die Entfernung der Werke des Meisterdenkers aus Bibliotheken zu fordern, weil sie nur „Naziideologie“ enthielten (JF 40/10). Florian Grossers Großstudie hat erfreulicherweise damit nichts zu tun. Den Leser erwarten präzise Analysen der gemeinhin primitiv vereinfachten Schlüsselbegriffe Heideggers in der „Kehre“ von 1933 („Volk“, „Selbstbehauptung“, „Kampf“), die im Fazit münden: „Heideggers Denken ist also weder 1933/34 noch seit jeher in sich nazistisch.“ Nur deshalb hätten Hannah Arendt oder Herbert Marcuse produktiv an ihren Lehrer anschließen können, und deshalb biete Heideggers Moderne-Kritik weiterhin ein Reservoir für die Auseinandersetzung mit der vermeintlichen Überlegenheit „liberal-demokratischer Politikmodelle“. (rs)

Florian Grosser: Revolution denken. Heidegger und das Politische.Verlag C. H. Beck, München 2011, gebunden, 567 Seiten, 39,95 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen