© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Dieselruß und Panzerrohr
Auf Rädern und Ketten: Das Heeresgeschichtliche Museum Wien läßt alte Militärfahrzeuge knattern
Paul Leonhard

Vorsichtig testen die Räder die Belastbarkeit. Halten die aufgestapelten Baumstämme? Dieses Hindernis hat es in sich. Der Fahrer weiß das und sitzt hoch konzentriert in seiner Kabine. Er schwitzt und lauscht auf die Geräusche. Auch die Zuschauer schauen gespannt. Dann applaudieren sie. Der allradgetriebene Militärlastwagen hat die Probe bestanden. Der Fahrer winkt. Das nächste Fahrzeug rollt zur Radshow heran. Der Geschicklichkeitsparcours ist Teil eines besonderen Wochenendes rund um das Heeresgeschichtliche Museum Wien.

„Auf Rädern und Ketten“ heißt die große historische Veranstaltung, die schon zum fünften Mal am ersten Juni-Wochenende das Herz aller an alten Militärfahrzeugen Begeisterten höher schlagen läßt. Auch so mancher Direktor eines staatlichen Museums dürfte einen Adrenalinstoß verspüren, wenn er all die sorgsam gepflegten Motorräder, Geländewagen, Panzerspähwagen, Lastwagen und Panzer sieht, die Bastler und Sammler hier präsentieren. Dazu gibt es erzählte Militärgeschichte, denn jeder der Aussteller weiß natürlich um die Geschichte seines ganz speziellen Lieblings konkret und auch ganz allgemein.

Auf dem Freigelände hinter dem Museumsgebäude werden sich wie in den vergangenen Jahren Dutzende Fahrzeuge reihen, Panzer und Haubitzen ihre Rohre in den Himmel recken. „Es werden Militärfahrzeuge der verschiedensten Nationen erwartet“, wirbt der Veranstalter: „Vom Panzer bis zum Fahrrad und vom Jeep bis zum Kranwagen wird alles geboten, was die Armeen seinerzeit bewegte.“ Neben mächtigen Stahlungetümen werden wieder kleine VW-Kübelwagen stehen. Militärtechnik sowjetischer und amerikanischer Bauart, wie etwa der Willys-Jeep und der GAZ-46, werden sich dem direkten Vergleich stellen. Im vergangenen Jahr war ein 16 Tonnen schwerer Jagdpanzer 38(t) „Hetzer“ aus böhmischer Produktion ebenso zu sehen wie ein russischer T34. Bewundert wurden der dreiachsige Praga-Kommandeurswagen und ein ebensolcher der Firma Steyr aus den vierziger Jahren in sandgelbem Anstrich und mit schwarzem Verdeck.

Für Kenner war aber ein eher unscheinbarer grüner Lastwagen mit Anhänger die Attraktion, ein Tatra 111. Dieser war von den Tatra-Werken im Auftrag der deutschen Wehrmacht entwickelt worden, schrieb aber noch lange nach deren Kapitulation am 8. Mai 1945 Militärgeschichte. So wurden zwischen 1942 und 1960 rund 34.000 Tatra 111 produziert. Und warum die sowjetischen Sil-Lastwagen der vierziger Jahre den amerikanischen Ford- und Dodge-Lkw so frappierend ähneln, erklärt sich schnell aus im Zweiten Weltkrieg vergebenen Lizenzen.

Eine österreichische Entwicklung ist dagegen das allradgetriebene Geländefahrzeug Husar. Die ersten drei Prototypen wurden 1966 gebaut, letztlich aber nicht eingeführt. Das Bundesheer gab einem konkurrierenden Fahrzeug von Steyr-Daimler-Puch den Vorzug. Der im vergangenen Jahr ausgestellte Husar war mit Baujahr 1971 übrigens das jüngste Fahrzeug der Schau. Denn bei dem Technik-Schau „Auf Rädern und Ketten“ müssen die Veteranen mindestens 40 Jahre alt sein.

Mitunter skurril muten andere Fahrzeuge, insbesondere einige der Sonderkraftfahrzeuge an. „Es ist immer wieder sehenswert, was sich unser Bundesheer für Gelumpe an Ausrüstungsgegenständen im Laufe der Jahre zugelegt hat“, faßt ein Blogger aus Österreich seine Eindrücke im Internet zusammen. Und gleichzeitig versichert er, am 2. und 3. Juni in Wien wieder dabeizusein. Schließlich weiß man vorher ja nicht, welche Schätze Militärtechnikfreaks aus Österreich, der Slowakei, Tschechien und Ungarn diesmal der erstaunten Öffentlichkeit präsentieren werden. Im vergangenen Jahr ging der Preis für die weiteste Anreise an einen Teilnehmer aus der russischen Hauptstadt Moskau und der für das älteste Fahrzeug an Günter Prazda, der mit einem Lanz Bulldog von 1926 gekommen war.

Und wem all die Technik im Freigelände noch immer nicht ausreicht, das Heeresgeschichtliche Museum hat an beiden Tagen kostenlos geöffnet und lockt immerhin mit solchen interessanten Exponaten wie dem Auto (einschließlich originalen Einschußlöchern), in dem Erzherzog Franz Ferdinand 1914 einem Attentat zum Opfer fiel, das letztlich zum Auslöser für den Ersten Weltkrieg werden sollte.

www.hgm.or.at

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen