© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/12 01. Juni 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Deutschfeindliche Eliten
Christian Dorn

Ginge es nach Unions-Fraktionschef Volker Kauder, spräche Europa seit dem vergangenen Jahr „deutsch“. Die Wirklichkeit ist eine andere. Während der Niedergang der deutschen Sprache hierzulande in Form von „Kiezdeutsch“ akademisch aufgewertet wird, ist die Politik zumindest symbolisch bemüht, die deutsche Sprache und Kultur der im Ausland lebenden Deutschen zu fördern. Jüngster Ausdruck dessen ist der erstmals verliehene, mit 5.000 Euro dotierte Medienpreis „Dialog für Deutschland“ der 2004 vom saarländischen Unternehmer Kurt Linster errichteten „Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“. In der Landesvertretung Niedersachsens beim Bund wurde jetzt damit die in Buenos Aires erscheinende, 1887 gegründete Wochenzeitung Argentinisches Tageblatt ausgezeichnet. Das von der jüdischen Familie Alemann gegründete Zeitungsunternehmen hat – bei etwa einer halben Million in Argentinien lebenden Deutschen – ein Publikum von 200.000 Lesern.

Insgesamt gibt es im Ausland 100 deutschsprachige Zeitungen, darunter acht Tageszeitungen. Hinzu kommen etwa 300 Rundfunk- und 50 Fernsehstationen, die zusammen ungefähr drei Millionen Menschen erreichen. Was bedeuten diese Zahlen für die Zukunft? Aus Sicht von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der zur Preisverleihung eine Ansprache hielt, nicht viel. Denn die Medien deckten den Kreis der im Ausland lebenden etwa 14 Millionen Deutschen nicht ab. Hinzu käme „eine schlechte und eine noch schlechtere Nachricht“: So ginge die Zahl der Deutsch-Lernenden weltweit zurück – 2010 seien es 14 Millionen gewesen und damit 2,7 Millionen Menschen weniger als noch fünf Jahre zuvor. Nur in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland sei aktuell ein leichter Anstieg der Deutsch-Lerner zu registrieren. Dürfte sich Kauder also doch bestätigt sehen?

Für die Zurückdrängung der deutschen Sprache machte Lammert das „aktive und passive Verhalten der Eliten unseres Landes verantwortlich“. Vor allem läge der geminderte Stellenwert des Deutschen an den deutschen Politikern und Ministerialbeamten, die partout „mit ihren mangelhaften Englischkenntnissen im Ausland hervortreten“. Damit werde ein Trend legitimiert, über den man sich dann bei Veranstaltungen wie dieser beschwere. Beredtes Beispiel seien auch Evaluierungen germanistischer Forschungsergebnisse in englischer Sprache. Beklagt wurde zudem das babylonische Sprachgewirr der Europäischen Union. Von den 27 Mitgliedsstaaten besäßen 23 eine eigene Sprache, was jedesmal „500 Übersetzungsnotwendigkeiten“ auslöse. Ins Gericht ging Lammert auch mit dem politischen Betrieb, der einen „unnötigen Gestaltungseifer“ für Dinge entwickle, die ihn nichts angingen, wie die „Leidensgeschichte Rechtschreibreform“ bezeuge. Lammert mahnte mit den Worten Herders, daß erst mittels der Sprache „eine Nation gebildet (...) und mächtig“ werde. Folgerichtig sei daher die Aufnahme der deutschen Sprache in das Grundgesetz, denn sie definiere das Gemeinwesen mehr noch als die dort definierte Hauptstadt und Nationalflagge.

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