© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/12 01. Juni 2012

Deutscher Ärztetag widerspricht Korruptionsvorwürfen
Mißverständnisse
Jens Jessen

Pünktlich zum 115. Deutschen Ärztetag in Nürnberg sind Mediziner unter Korruptionsverdacht geraten. Krankenhäuser sollen für die Überweisung von Patienten an die überweisenden Haus- und Fachärzte illegale Prämien überwiesen haben. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich gegen diese Pauschalverurteilung verwahrt. Sie fordert die Kassen auf, Roß und Reiter zu nennen. Der GKV-Spitzenverband hatte eine Studie in Auftrag gegeben, aus der ein erhebliches Korruptionspotential im Gesundheitswesen abgeleitet wird. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) stellt sich gegen die „unseriöse Datenbasis“.

Immer wieder spielen die Kassen sich als Patientenvertreter mit nicht haltbaren Horrormeldungen auf. In Thüringen wurde etwa 2005 der Verdacht massiven Abrechnungsbetruges der Ärzte ebenso widerlegt wie in anderen Kassenärztlichen Vereinigungen. Die AOK Thüringen stellte Fehlverhalten vor allem bei den nichtärztlichen Leistungserbringern fest. Die Zahl der Kassenärzte, die wegen Abrechnungsbetrug belangt wurden, war verschwindend gering.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, bedauerte die ungerechtfertigten Angriffe auch etwa gegen den Umgang mit den Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), die Patienten selbst bezahlen müssen. Damit würde das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten mutwillig zerstört. Auf Dauer würden die Kassen dafür die Zeche zahlen, wenn sie die Freiheit der Medizin zugunsten einer Bevormundung durch Krankenkassen und Staat beseitigen. In diesem Zusammenhang hat sich Montgomery gegen die politisch diskutierte Einheitsversicherung ausgesprochen. Die Private Krankenversicherung (PKV) müsse erhalten bleiben. Ohne die PKV würde es in Kürze zu einer Verschlankung des Leistungskatalogs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kommen. Er hat deshalb ein eigenes Konzept der Ärzteschaft zur Finanzierung der GKV zum 116. Ärztetag in Hannover angekündigt.

Vor Beginn des diesjährigen Ärztetages kritisierte der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, die unzureichenden Deutschkenntnisse ausländischer Ärzte in den Krankenhäusern. Er forderte, daß diese im Gespräch mit Kollegen ihre Befunde fehlerfrei  vortragen können müßten. Auch die Arztbriefe sollten so formuliert sein, daß Mißverständnisse über den Zustand eines Patienten ausgeschlossen werden könnten. Deshalb forderte der Ärztegewerkschafter die zuständigen Behörden auf, bei der Überprüfung der im Ausland erworbenen ärztlichen Approbationen strenger als bisher die Deutschkenntnisse zu überprüfen: „Es reicht nicht, wenn ein Arzt im Nachtdienst eine Pizza bestellen kann.“ Die staatlichen Stellen gäben sich häufig mit dem Nachweis eines sprachlichen Mindeststandards zufrieden.

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