© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

Wenn die Kreditkündigung droht
Aus dem Notizbuch eines Beraters: Die Krise der deutschen Solarindustrie betrifft auch den Mittelstand
Markus Brandstetter

Die Lage der deutschen Photovoltaikindustrie ist dramatisch. Einst groß gefeierte Solarfirmen wie Q-Cells, Solon oder Sovello waren der (staatlich geförderten) chinesischen Billigkonkurrenz nicht gewachsen und mußten Insolvenz anmelden. Fast die gesamte deutsche Branche schreibt inzwischen rote Zahlen. Selbst die Ausrüstungs- und Zulieferindustrie gerät in Schwierigkeiten.

Die staatliche Förderung der Installation von Solarzellen und die hohe Einspeisevergütung für Solarstrom durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll nach dem Willen der Bundesregierung reduziert werden – das erfreut vielleicht Stromkunden, doch eine abflauende Solarkonjunktur könnte auch so manchem Handwerksbetrieb einen Auftragsrückgang bescheren.

Kommen dann noch Bankenprobleme hinzu, könnte es manchen ergehen wie Handwerksmeister Anton, der einen großen Handwerksbetrieb mit 40 Leuten und einem Jahresumsatz von fünf Millionen Euro führt. Seit nunmehr 50 Jahren verhilft der Betrieb seiner Familie zu Wohlstand und Ansehen. Aber seit Anton junior sich von traditionellen Heizungen und Lüftungen verabschiedet und den Schwerpunkt auf Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und Holzpelletsheizungen gelegt hat, gibt es Probleme mit der Liquidität: Die Umsätze stagnieren, während die Kosten steigen. Vor sieben Jahren hat der Juniorchef, beflügelt von der staatlichen Solarzellenkonjunktur, auf der grünen Wiese großzügig gebaut und gleich noch einen kleineren Konkurrenten übernommen.

In diesen Tagen nun bekommt Anton Post von seiner Hausbank. Man teilt ihm mit, daß er bankenintern einen neuen Ansprechpartner habe, daß dieser Mitglied der Abteilung „Consulting“ sei und im weit entfernten München residiere. Zusätzlich lade man Anton zu einem klärenden Gespräch über die Zukunft seines Unternehmens ein – zeitnah und ausgestattet mit aussagekräftigen Unterlagen. Das ist nicht der erste Brief, den Anton in den letzten Monaten von seiner Bank erhalten hat. Mehrmals ist er bereits aufgefordert worden, aktuelle Zahlen vorzulegen und die überzogene Betriebsmittellinie – die man auch „Kontokorrent“ oder „Dispositionskredit“ nennt – baldigst in den genehmigten Bereich zurückzuführen.

Dem Unternehmer ist bei der ganzen Geschichte nicht wohl, weshalb er sich an Berater B. wendet. B. analysiert im Schnelldurchgang den Betrieb und die wichtigsten Unterlagen (letzte drei Bilanzen, Dezember-BWA des Vorjahres, aktuelle BWA, aktuelle Summen- und Saldenliste, Listen der offenen Posten, Kontobewegungen). Nach drei Tagen bittet B. den Unternehmer in sein Büro. Es wird ein ernstes Gespräch. B. teilt einem fassungslosen Anton mit, daß dieser sich auf dem besten Weg zu Kreditkündigung und Insolvenz befinde.

Was ist geschehen? Der Unternehmer hat in den letzten drei Jahren die Kontokorrentlinie bei seiner Hausbank immer wieder massiv überzogen, pro Jahr oft 100 Tage und mehr, Lastschriften wurden zurückgegeben, einmal kam es zu einer Kontopfändung durch das Finanzamt. B. erklärt Anton, daß er sich bei seiner Bank nun auf der Intensivstation befinde, von wo es nur zwei Auswege gäbe: zurück in die normale Betreuung – oder aber in die Abwicklung des Engagements, sprich Kontokündigung. In einer Hinsicht immerhin kann der Berater den Unternehmer beruhigen: Banken kündigen Kredite nicht von heute auf morgen. Stellt der Unternehmer die Ursachen der „Leistungsstörung“ – wie Banken Überziehungen oder rückständige Darlehensraten bezeichnen – dauerhaft ab, hat er gute Chancen, seine Kreditlinien zu behalten.

B. weiß, was nun getan werden muß: Zuerst wird Anton die Überziehung der Betriebsmittellinie deutlich unter den vereinbarten Rahmen von 500.000 Euro zurückführen. Dazu wird er einen Teil des Kontokorrentkredites in ein Darlehen umwandeln, das er mit einer erstrangigen Grundschuld auf seiner Privatimmobilie besichert. Zusätzlich wird er ein Wertpapierdepot auflösen. Die Erlöse daraus wird er dann als Kapitalerhöhung in das Unternehmen einbringen.

Für Anton sind das harte Einschnitte, aber sie lohnen sich: Das erhöht die Eigenkapitalquote und senkt die exorbitanten Zinsen (neun Prozent regulär, 16 Prozent bei Überziehung). Flankierend optimiert Anton mit seinem Berater Rechnungswesen, Controlling und Planung, insbesondere verkürzen sie die Zeit, bis die Kundenrechnungen bezahlt werden (Forderungslaufzeiten) von 59 auf 21 Tage, was den Überschuß der regelmäßigen betrieblichen Einnahmen (Cash-flow) schlagartig verbessert.

Ausgerüstet mit plausiblen und aktuellen Unterlagen (Bilanz, BWA, Dreijahresplanung) fahren B. und Anton dann nach München auf die „Intensivstation“. Nach einem aus Sicht Antons überraschend entspannten Gespräch weiß dieser, daß er bald wieder in die normale Betreuung zurückkehren wird, wenn es zu keinen Leistungsstörungen mehr kommt, wofür der Berater sorgen wird.

 

Risiko Unternehmerkredit

Eine Bank kann einen Unternehmerkredit kündigen, wenn:

• Zins- und Tilgung wiederholt nicht erbracht werden;

• der Kreditnehmer seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht offenlegt;

• der Kunde falsche Angaben über seine Vermögensverhältnisse (auch die privaten) macht, insbesondere dann, wenn die falschen Angaben für die Kreditentscheidung von erheblicher Bedeutung waren,

• die vereinbarten Kreditsicherheiten nicht gestellt wurden, nicht mehr vorhanden oder wertlos geworden sind;

• andere Banken oder Kreditversicherer die Geschäftsverbindung gekündigt haben;

• oder sich die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers wesentlich verschlechtert hat.

Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes mußten 2011 in Deutschland 30.099 Firmen Insolvenz anmelden. Das waren 1.899 (5,9 Prozent) weniger als 2010. Im Verhältnis zum gesamten Unternehmensbestand errechnet sich daraus für vergangenes Jahr eine Insolvenzquote von 9,4 je 1.000 Unternehmen.

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