© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

Blick in die Medien
Talkshows: Gebrieft und „inhaltlich vertretbar“
Toni Roidl

Talkshows im Fernsehen sind für die Gäste ein Kommunikationsmittel und öffentlicher Beichtstuhl zugleich. Für die Zuschauer sind sie Peep-Show und Tele-Selbsthilfegruppe.

Nur eins sind sie nicht: authentisch. Deutsche Talkshows sind vor allem Show, denken wir nur an die legendäre Folge von „Hart aber fair“, in der Özcan Mutlu Brigitte Zypries – verärgert über die Aussage eines Landsmannes – zuzischelte: „Wurde der denn gar nicht gebrieft vorher ...?!“

Die letzten, die noch glaubten, in deutschen Talkshows sei irgend etwas nicht einstudiert, konnten Mitte Mai gleich eine doppelte Desillusionierung erleben. Fall 1: Sandra Maischberger wagte sich an das heiße Eisen Islam. Zunächst wurde die pakistanische Islamkritikerin Sabatina James ein- und wieder ausgeladen, um den Haßprediger Hassan Dabbagh („Imam von Sachsen“) zu beschwichtigen. Am Ende blieben die Islam-Appeaser unter sich. Eiertanz-Erklärung des WDR: „Wir haben versucht, eine inhaltlich vertretbare Sendung zu gestalten.“

Fall 2: Jauch redete mit Peer Steinbrück und Thilo Sarrazin über den Euro. Während Grünen-Chefin Künast keifte, „so jemanden“ dürfe man nicht ins Fernsehen einladen, und Sozi Robbe drohte: „Mit Sarrazin sollte sich niemand mehr in eine Talkshow setzen“, schlug sich dieser argumentativ wacker gegen Steinbrück.

Seltsam: Während das Studiopublikum jeden Satz von Steinbrück frenetisch bejubelte, herrschte nach Sarrazins Sätzen Stille. Die „Anklatscher“ im Saal hatten die „Gäste“ gut dressiert. Dieses Phänomen wiederholte sich am vergangenen Sonntag bei der Debatte über das Betreuungsgeld. Offensichtlich haben die Öffentlich-Rechtlichen wenig Vertrauen in den Erfolg ihres „Bildungsauftrages“ – nichts fürchten die selbsternannten Volkspädagogen so sehr wie die spontane Vox populi und gehen darum lieber auf Nummer Sicher.

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