© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

Der Spaltpilz gedeiht
Zu den Parlamentswahlen treten die bürgerlichen französischen Ökologen zerstritten und zersplittert an
Volker König

Antoine Waechter ist sich zeitlebens treu geblieben. 1973 hatte er als erster Umweltschützer in seiner elsässischen Heimat aus Protest gegen den Bau des AKW Fessenheim kandidiert. Auch zu den Parlamentswahlen des Jahres 2012 wirbt seine Partei Mouvement Écologiste Independant (MEI) für einen Volksentscheid zum Ausstieg aus der Atomenergie. Der 63jährige Waechter, einst Galionsfigur der französischen Grünen und 1988 ihr erster Präsidentschaftskandidat, hatte 1994 wegen deren Linkskurs eine eigene Partei gegründet. „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn“, lautete deren Grundaussage, ganz ähnlich wie bei den deutschen Ökologen um Herbert Gruhl.

Bei Wahlen erreichte die MEI meist um die zwei Prozent. 2009 gelang dann die Vereinigung mit zwei anderen „bürgerlichen“ ökologischen Gruppierungen Frankreichs: der Partei Génération Écologie (GE) des früheren Umweltministers Brice Lallonde und der Partei „La France en Action“ von Jean-Marc Governatori. Die drei Gruppen schlossen sich zur Alliance Écologiste Indépendante (AEI) zusammen. Gemeinsam erzielte die konservative Öko-Liste bei der Europawahl 2009 immerhin 3,6 Prozent.

Dann aber braute sich im Oktober 2010 Ungemach zusammen. Governatori hatte in einem Alleingang der populären Ex-Schauspieldiva Brigitte Bardot, durch radikale Aussagen sowohl im Tierschutz als auch in Sachen Einwanderer bekannt, die Präsidentschaftskandidatur 2012 für das unabhängig-ökologische Bündnis angetragen. Jener Brief sei angeblich in Absprache mit Antoine Waechter aufgesetzt worden, was letzterer jedoch dementierte. Es begann im AEI zu rumoren. Im November 2010 kündigte die GE das AEI-Bündnis auf, wenig später sagte sich auch Waechters MEI von dem Wahlblock los.

Während Brigitte Bardot sich schließlich zum Verzicht auf eine Kandidatur und für die Unterstützung von Marine Le Pen entschloß, gedieh bei den konservativen Umweltschützern der Spaltpilz. Das MEI verbündete sich bei den Regionalwahlen 2011 mit den linken Grünen, was der Waechter-Partei vor allem im Elsaß etliche Mandate einbrachte. Die im wesentlichen auf „La France en Action“ reduzierte AEI stellte den 54jährigen Governatori als Präsidentschaftsbewerber auf, Waechters MEI hingegen favorisierte den Schriftsteller und Fernsehmoderator Nicolas Hulot. Beiden Kandidaten gelang es jedoch nicht, die Zulassung zur Wahl zu erreichen – ein Trauerspiel, wenn man bedenkt, daß es selbst der LaRouche-Bewegung gelang, für ihren Kandidaten Jacques Cheminade die Unterschriften zusammenzubekommen, um für die Kolonisierung des Mondes werben zu können.

Am Ende unterstützte Waechters MEI im ersten Wahlgang die Kandidatin der Grünen, Eva Joly. Im zweiten Wahlgang verzichtete man auf eine Wahlempfehlung. Zu den Parlamentswahlen am 10. Juni treten AEI und MEI nun mit getrennten Listen und fast identischen Programmen an. Es darf vermutet werden, daß bei zwei konkurrierenden Listen unabhängiger Ökologen die Grünen der lachende Dritte sein werden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen