© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/12 15. Juni 2012
Datenverrat im Vatikan Worauf hatten es die Datendiebe im Vatikan abgesehen? Wem nutzen die Indiskretionen des päpstlichen Butlers und anderer Lakaien, die Gianluigi Nuzzi (nomen est omen) gewinnträchtig ausgebeutet hat? Die angedrohte Verfilmung der „Vatileaks“-Affäre wird auf diese Fragen wohl kaum eine realistische Antwort finden, sondern eher dem antikirchlichen Aufregungsbedürfnis entgegenkommen. Geheimnisumwoben ist der Stoff nicht, aus dem die päpstlichen Träume sind. Benedikt XVI. macht keinen Hehl daraus, daß ihm die innerkirchliche Einigung näherliegt als eine Verständigung mit der konfessionell gespaltenen Christenheit. Denn die Ökumene mit jenen Protestanten, die sich vor allem darin einig sind, daß sie von Rom getrennt bleiben wollen, scheint ein utopisches Ziel zu sein, wenn es nicht einmal gelingen sollte, die innerkirchliche Einheit mit der „Priesterbruderschaft St. Pius X.“ in Ordnung zu bringen. Die Piusbrüder gelten weder als Apostaten noch als Häretiker und sehen sich selber auch nicht als Schismatiker. Die Exkommunikation ihrer Bischöfe wurde vor einigen Jahren aufgehoben. Was einen Sturm der Entrüstung entfachte, weil einer von ihnen sich als „Holocaustleugner“ blamierte. Hätte er den trinitarischen Glauben geleugnet, wäre er von den Massenmedien wohl als moderner Häretiker gepriesen worden. Die Dinge verwirren sich weiter. Als Schismatiker soll inzwischen nicht einer gelten, der die innerkirchliche Spaltung vorantreibt, sondern sie zu verhindern trachtet. Das Einigungsanliegen Benedikts XVI. wird erwartungsgemäß desavouiert von Theologen wie Hans Küng, der dem Papst Spaltungsabsichten vorwarf, weil dieser sich angeblich vom „Gottesvolk“ entfernt habe. Wer die Spaltung da, wo sie überwindbar erscheint, auch überwinden will, gilt nach progressiv verdrehter Logik als Spalter, während die Trennung dort, wo sie sich antirömisch verfestigt hat, als leicht überwindbares Hindernis verharmlost wird. Als Gegenpapst, der nur noch eine Art Ehrenpräsident der Christenheit darstellte, müßte Küng seinen akademischen Unfehlbarkeitsanspruch opfern. Aber auch in Rom gibt es Laien und Lakaien, die sich für unfehlbar halten und dem Papst bei seinem Einigungsbemühen in die Quere kommen.
Prof. Dr. Wolfgang Ockenfels ist Publizist und Professor für christliche Sozialethik an der Theologischen Fakultät Trier. |