© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/12 15. Juni 2012

„Der Respekt ist verlorengegangen“
Gewalt: Ein Berliner Polizeidirektor spricht Klartext
Henning Hoffgaard

Allein traue ich mich gar nicht mehr vor die Tür.“ Diesen und ähnliche Sätze hört Friedrich-Christian Wähmann häufiger. Auch an diesem Abend. Besonders Ältere klagen dem Leitenden Polizeidirektor für die Berliner Stadtteile Reinickendorf, Pankow und Friedrichshain ihr Leid. „Der Respekt ist völlig verlorengegangen“, schildert eine Frau, und Wähmann weiß: Sie hat recht! Auch seine Tochter ist Polizistin. Allein im vergangenen Jahr war sie mit sieben Fällen von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte konfrontiert, erzählt er. Bei einer Festnahme gelang es dem Täter, einem anderen Polizisten das Pfefferspray zu entreißen und ihr damit aus kürzester Distanz ins Gesicht zu sprühen. Zwei Tage Krankenhaus. „Polizist ist eben ein gefahrengeneigter Beruf“, sagt er lakonisch und: „Auch ich habe manchmal Angst um meine Kinder.“

Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat ihn in der vergangenen Woche eingeladen, über die Sicherheitslage in Berlin zu referieren. Der 60jährige kennt sich aus. 41 Dienstjahre, Streifendienst, Leiter der Berliner Bereitschaftspolizei, Hauptkommissar, Mitglied bei der Deutschen Polizeigewerkschaft, ausgebildet noch an Maschinengewehr und Handgranate. Schnell kommt er auf die größten Gewaltprobleme der Hauptstadt zu sprechen. Ganz oben stehen die Walpurgisnacht und der 1. Mai. Seit 1997 fällt die Walpurgisnacht in Wähmanns Zuständigkeit. Er spricht von den „schwersten Auseinandersetzungen, die man sich vorstellen kann“. Im Saal macht sich Beklommenheit breit, während im Hintergrund Bilder von randalierenden vermummten Linksextremisten über den Bildschirm flackern.

Brennende Autos, Molotowcocktails und Wasserwerfer sind zu sehen. Wenn die „erlebnisorientierten Jugendlichen“ erst einmal verscheucht sind, bleibt der harte Kern übrig und zündet Barrikaden und Mülltonnen an. Viele Polizisten werden dabei Jahr für Jahr verletzt. Auch Unbeteiligte kommen dabei immer wieder zu Schaden. „Es kann jeden treffen!“ Empört meldet sich ein Zuhörer und fragt, warum die Randalierer für die Schäden nicht zahlen müßten. „Nun“, sagt Wähmann, „die meisten von denen leben ohnehin vom Staat.“

Für die zuletzt von Polizeigewerkschaften erhobenen Forderungen nach dem Einsatz von Gummigeschossen gegen gewalttätige Demonstranten sieht er dagegen keine Zukunft. „In Deutschland ist das, anders als in der Schweiz, nicht zu verkaufen.“ Auch die auf ihrem Gang durch die Institutionen erfolgreichen Alt-68er bekommen ihr Fett weg. So gebe es viele Leute in den Behörden, die der Polizei noch immer sehr skeptisch gegenüberstünden, bemerkt er kopfschüttelnd. Kritik, wie sie etwa Piraten, Grüne und Linkspartei nach linken Demonstrationen an der Polizei äußern, bezeichnet er schlicht als „Angriff auf die Institution“. Ein Zuhörer erkundigt sich, was der Bürger denn machen könne, um mehr Sicherheit zu bekommen. Die Antwort des Polizeidirektors fällt kurz aus: „Sie können sich bei der nächsten Wahl ganz genau überlegen, wo sie ihr Kreuz machen.“

Doch die Hauptstadt kämpft auch mit anderen Problemen. Etwa arabischen Großfamilien, Parallelgesellschaften und Rockerkriminalität. Von „rechtsfreien Räumen“ will Wähmann allerdings nichts wissen. Obwohl, wie er eingesteht, die Polizei in bestimmten Straßenzügen anders auftreten müsse, als das normalerweise der Fall sei. „In manchen Gegenden wird die klassische Ein-Mann-Streife bereits nach zwölf Metern eingekeilt.“ Also würden Doppelstreifen geschickt. Ähnliches berichtet er von Verkehrsunfällen, bei denen die Geschädigten einen bestimmten „Migrationshintergrund“ hätten. „Da wird schnell die Verwandtschaft herbeitelefoniert, die dann auf die Verursacher und die eintreffenden Beamten losgeht.“

Von Vorschlägen, in diesen Fällen sogenannte „Friedensrichter“ aus dem Ausländermilieu einzusetzen, hält der erfahrene Beamte wenig. „Das rüttelt an den Grundfesten des Rechtsstaates, die er dort geschaffen hat“, sagt er und zeigt auf ein Bild von Konrad Adenauer. „Und Preußen sind wir doch“ steht darauf. Es paßt zu Wähmann.

 

Gewalt gegen Polizisten

Die linksextreme Gewalt in Berlin ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Registrierte der Verfassungsschutz 2010 noch 208 Gewaltdelikte von Linksextremisten, verdoppelte sich diese Zahl 2011 fast auf 397. Mehr als 50 Prozent (202) davon richteten sich gegen Polizisten. Bei 83 Fällen waren vermeintliche Anhänger der rechtsextremen Szene Ziel von Übergriffen. 153mal standen die Gewalttaten im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die sogenannte „Gentrifizierung“. Schwerpunkt linker Gewalt bleiben weiterhin die Walpurgisnacht und die traditionell gewalttätige „Revolutionäre 1. Mai-Demonstration“, bei der allein in diesem Jahr 124 Polizisten verletzt wurden. Auf linken Demonstrationen werden Polizisten dabei regelmäßig als „Mörder“ und „Bullenschweine“ diffamiert. Auch bei Aufzügen von Ausländern kommt es regelmäßig zu schweren Ausschreitungen. So wurden im November bei einer Demonstration von Kurden, die von einem Mitglied der Linkspartei angemeldet worden war, 87 Beamte verletzt.

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