© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/12 15. Juni 2012

Kinder, ist unsere Geschichte spannend!
Bildung: Eine Anregung, wie man jungen Menschen Kenntnisse und einen positiven Bezug zur eigenen Nation vermittelt
Michael Paulwitz

Das staatliche Schulwesen ist auf den Hund gekommen. Vor allem der Niedergang des Geschichtsunterrichts kann Eltern, die selbst noch eine solide historische Allgemeinbildung mitbekommen haben, zur Verzweiflung bringen. Von einer durchgängigen Geschichtserzählung, die den Kindern im Laufe ihrer Schulkarriere nahegebracht würde, kann kaum die Rede sein. Nur Happen werden serviert, „Adolf Nazi“ und die Seinen sind omnipräsent und trüben den Blick auf alles, was vorher war; kritisches Denken, das über dekonstruktivistische Rituale hinausgeht, wird allenthalben proklamiert, bleibt aber angesichts vielfältiger Denkverbote und aus Mangel an Kenntnis von Fakten und Zusammenhängen nur leere Worthülse. Auch der engagierteste Lehrer kann kaum ausgleichen und nachreichen, was in Schulbüchern und Lehrplänen fehlt.

Ohne Wissen um das Woher keine gefestigte Identität, das gilt für einzelne Staatsbürger wie für ganze Nationen. Was also tun, um unseren Kindern deutsche Nationalgeschichte nahezubringen und dafür zu sorgen, daß selbstverständliches historisches Wissen an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird, wenn die Schule als Vermittler weitgehend ausfällt? Zwei Wege stehen jedem Erziehungsberechtigten offen: das, was an der Schule vom Geschichtsunterricht übrig ist, kritisch begleiten, den Sinn für das Denken in Zusammenhängen schärfen und Skepsis schüren, wenn vergangene Epochen undifferenziert an heutigen Polit-Koordinaten gemessen werden – und dafür sorgen, daß der Nachwuchs mit eigenen Bildungserlebnissen eine andere Sicht auf die historischen Dinge kennenlernt.

Das ist mühselig, aber lohnend. Der erste Schritt: Studieren Sie die Schulbücher, mit denen man Ihre Kinder traktiert, und sprechen Sie mit Ihren Kindern über das, was gerade im Geschichtsunterricht durchgenommen wird. Geben Sie Ihnen zusätzliche Informationen, regen Sie sie zum selbständigen Nach- und Weiterdenken an. Weisen Sie auf nonkonforme Internetseiten zu historischen Themen hin – davon gibt es gar nicht so wenige. Regen Sie sie zum Lesen an – mit Büchern, die klar und verständlich geschrieben sind und junge Leute dadurch auch heute noch ansprechen können: Hellmut Diwalds „Geschichte der Deutschen“, Wolfgang Ve- nohrs „Dokumente deutschen Daseins“, Siegfried Fischer-Fabians Preußen-Bücher, und natürlich Joachim Fernau. Lassen Sie die jungen Leute an Ihren hoffentlich gutgefüllten Bücherschrank, geben Sie Fingerzeige, was sich zu lesen lohnt, und ermuntern Sie zum Weiterstöbern. Was bisher gesagt wurde, gilt übrigens ebenso für Großeltern, Onkel und Tanten, kurz alle, die einen guten Draht zu heranwachsenden jungen Verwandten haben.

Für ein Alternativprogramm zur staatlich organisierten Einheitsberieselung gibt es viele gute Anlässe. Nutzen Sie historische Jubiläen wie das aktuelle Friedrich-Jahr, die im Medien- und Kulturbetrieb groß herausgestellt werden, um weiterführendes Interesse zu wecken und Informationen nachzutragen, die im offiziellen Gedenkrummel gern unter den Tisch fallen – zweihundert Jahre Befreiungskriege und deutsche Nationalbewegung im nächsten Jahr, 2014: hundert Jahre Erster Weltkrieg – und natürlich das Luther-Jahr 2017.

Bewegte Bilder sprechen junge Leute oft direkter an als Bücher. Schauen Sie mit dem Nachwuchs ruhig mal Dokuspiele wie die ZDF-Reihe „Die Deutschen“ – gar nicht schlecht gemacht, mit positiven deutschen Heldenfiguren aus allen Epochen, mit Otto dem Großen angefangen, und ein guter Anknüpfungspunkt für vertiefende Gespräche. Oder Spielfilme mit historischen Inhalten – warum nicht mal Tom Cruise als Stauffenberg auf „unmöglicher Mission“ bewundern? Auch bei älteren Produktionen gibt es manchen Schatz zu heben. Und stöbern Sie doch mal selber im Internet und schicken dem Sprößling einen Link, auch da gibt es manche Perle; eine erste kleine Auswahl finden Sie auf der Internetseite der JUNGEN FREIHEIT.

Kaum etwas indes prägt junge Menschen so sehr wie Selbsterlebtes und -gesehenes „in 3D“. Planen Sie Kurzreisen und Ausflüge doch mal nach dem historischen Erlebniswert. Zeigen Sie Ihren Kindern das mittelalterliche Kleinod Quedlinburg und Herrn Heinrichs Vogelherd, die Burgen und Dome der Ottonen in Mitteldeutschland, die Pfalzen und Kaiserdome der Salier und Staufer im Rheinland, in Franken und in Schwaben, den Kyffhäuser, die Wartburg, Wittenberg und Werner Tübkes gewaltiges Bauernkriegs-Rundbild in Bad Frankenhausen; fahren Sie mit ihnen nach Berlin, Sanssouci und Cäcilienhof, zur Kaiserburg der freien Reichsstadt Nürnberg mit seiner zerstörten und wiederaufgebauten Altstadt, und vergessen Sie nicht zu erzählen, zum Nachfragen anzuregen und zu diskutieren. Suchen Sie Museen auf, die Geschichte erlebbar machen, statt sie in volkspädagogische Ideologiehäppchen zu zerlegen; das wehrgeschichtliche Museum in Rastatt zum Beispiel ist immer eine Reise wert.

Schauen Sie auch über die Grenzen: Ins Elsaß, nach Südtirol und Oberitalien, in die Kaiserstadt Wien und ins goldene Prag, erklären Sie, warum der Gründungsort der ersten deutschen Universität und die Insignien des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation sich außerhalb der heutigen deutschen Grenzen befinden. Der deutsche Osten, die Vertreibung und die deutsche Ostsiedlung kommen im heutigen Geschichtsunterricht praktisch nicht mehr vor. In Breslau, der designierten europäischen Kulturhauptstadt, in Siebenbürgen mit seinen stolzen Städten und Kirchenburgen, im Baltikum mit seinen Hansestädten Riga und Reval, in Königsberg, Danzig oder in der einmaligen Natur Ostpreußens lassen sich diese Lücken schließen. Die größte Ritterburg der Welt, die Marienburg, sollte der Mensch ebenso gesehen haben wie das kriegsgeprüfte Dresden.

„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Liebe Eltern schulpflichtiger Kinder: Lesen Sie diesen Schlüsselsatz aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz dringend nach und prägen Sie ihn sich ganz fest ein. Es ist nicht nur Ihr Recht, sondern sogar Ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß Ihre Kinder mit einem ordentlichen Bildungsfundament ins Leben gehen. Die Schulpflicht konkurriert zwar mit diesem Elternrecht, hebt es aber nicht auf. Holen wir es uns zurück!

Eine kleine Auswahl nützlicher Internetverweise und Literaturempfehlungen haben wir auf unserer Internetseite zusammengestellt.

www.jungefreiheit.de

Peter Bollmann, Ulrich March und Traute Petersen: Kleine Geschichte der Deutschen. Edition Antaios, Schnellroda 2004, 191 Seiten, Pb., 14 Euro

Foto:

1 Hermannsdenkmal

9 n. Chr. Ein Bündnis germanischer Stämme unter Hermann/Arminius dem Cherusker besiegt die Römer im Teutoburger Wald.

 

2 Aachen

768 Karl der Große wird fränkischer König. 800 wird er in Rom zum Kaiser gesalbt. Aachen wird Reichsresidenz und 814 Karls Grabstätte.

 

3 Quedlinburg

919 Heinrich I. wird König des Ostfrankenreiches. Er gilt als erster „deutscher“ König und wird 936 hier begraben. Nachfolger wird sein Sohn Otto der Große.

 

4 Marienburg

1230 Ausbreitung des Deutschen Ordensstaates über Preußen und das Baltikum. Bis 1454 war die Marienburg Sitz der Hochmeister des Deutschen Ordens.

 

5 Prag

1348 Kaiser Karl IV. gründet die erste deutsche Universität in Prag.

 

6 Nürnberg

1356 Auf dem Nürnberger Hoftag wird der erste Teil einer Verfassung, der „Goldenen Bulle“ verkündet: Kaiserwahlrecht der sieben Kurfürsten.

 

7 Wien

1438 Bis zum Ende der Ersten Reiches 1806 trägt das Haus Habsburg die römisch-deutsche Kaiserkrone.

 

8 Wittenberg

1517 Thesenanschlag Martin Luthers an der Schloßkirche und Beginn der Reformation in Deutschland.

 

9 Bad Frankenhausen

1525 Bauernkriege: Die Schlacht von Frankenhausen endet mit einer Niederlage der aufständischen Bauern unter Thomas Müntzer.

 

10 Potsdam

1640 Mit Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dem Großen Kurfürsten, beginnt der Aufstieg Brandenburg-Preußens.

 

11 Tirol

1809 Befreiungskriege: Aufstand der Tiroler unter Andreas Hofer gegen die französische (und bayerische) Fremdherrschaft.

 

12 Wartburg

1817 Einheit und Freiheit: Auf Einladung der Urburschenschaft wird zum Gedenken an die Völkerschlacht bei Leipzig das Wartburgfest begangen.

 

13 Hambacher Schloss

1832 Die National- und Freiheitsbewegung fordert beim Hambacher Fest unter der schwarzrotgoldenen Fahne die deutsche Einheit.

 

14 Frankfurt

1848 Nach der bürgerlichen Märzrevolution tagt in der Paulskirche das erste demokratisch gewählte gesamtdeutsche Parlament, die Nationalversammlung.

 

15 Versailles

1871 Im Spiegelsaal von Versailles wird König Wilhelm I. von Preußen zum Deutschen Kaiser ausgerufen.

 

16 Ruhrgebiet

1880 Das junge Deutsche Reich entwickelt sich zur führenden Industrienation und Wirtschaftsmacht in Europa.

 

17 Verdun

1916 Die nordfranzösische Stadt steht stellvertretend für die blutigen Materialschlachten des Ersten Weltkriegs.

 

18 Berlin

1944 Am 20. Juli 1944 ist der Berliner Bendlerblock das Zentrum des nationalkonservativen Widerstands gegen das Hitlerregime.

 

19 Berlin

1953 Freie Wahlen und deutsche Einheit: Von Berlin aus entwik-kelt sich ein Arbeiterprotest am 17. Juni zum Volksaufstand in der DDR.

 

20 Mödlareuth

1989 Wie im großen Berlin endet 1989 auch im kleinen thüringischen Mödlareuth endlich die deutsche Teilung.

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