© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/12 15. Juni 2012
CD: Karma Marata Die musikalische Bandbreite im Neofolk hat seit Jahren nicht zugenommen; zu groß ist die Wirkmacht der Pioniere des Genres wie Death in June und Sol Invictus. Zwar zeigen sich viele Protagonisten, wie das deutsche Projekt Darkwood, ihren Stammvätern mindestens ebenbürtig, doch vermißt man oftmals die Innovation und den Wagemut in aktuellen Kompositionen. Den Gegenbeweis treten nun Karma Marata aus Erfurt an. Man täte dem Sextett jedoch Unrecht, wollte man es allein auf die Neofolksparte reduzieren: Die Musiker sind von vielseitigen Einflüssen geprägt und allesamt noch in anderen Gruppen aktiv, die von Indierock bis Industrial viele Geschmäcker abdecken. Nach einer ersten Split-CD und einigen faszinierenden Konzerten, so als Vorband der italienischen Cold-Wave-Ikonen Kirlian Camera oder im Rahmen des „Luce Nera“-Festivals in Weinheim, haben die Nimmermüden mit „Das Sturmläuten“ nun ihr erstes Vollalbum herausgebracht. Titelgerecht beginnt das erste Lied „Feld von Blut und Eisen“ mit Schlachtenlärm und Geschrei, um dann in eine tragisch-heroische Fanfarenmelodie überzugehen – getragen von der einprägsamen Stimme des Sängers Marcel. Fallende Engel und fortgerissene Schleier bestimmen seinen bewegenden Vortrag, der zum Ende von einer Windböe hinfortgeweht wird und dem elektronisch dominierten „Believe Me My Dear He Is In The Flames“ weicht. Mit langsam anschwellender Klangfülle und einem melancholischen, englischsprachigen Text hat dieser Titel das Potential, zu einem Tanzflächenfüller auf Gothic-Veranstaltungen zu werden; daß das Lied eher verhalten daherkommt, könnte man dort durch Lautstärke wettmachen. Verhalten geht es auch in „She‘s Like A Whisper (The Secret Lady)“ weiter, doch noch weitaus getragener. Streicher, Klavier und nur dezente Trommeln kulminieren in einem verträumten Hymnus an die Unerreichbare in der Ferne, der schließlich traurig enden muß. In „Der Schwarze Turm“ kehrt sich die Stimmung dann um. Unheilsschwanger und obskur baut sich ein verzerrtes Samplegewirr auf, um in „Das Sturmläuten“ zu münden – ein kühles, doch aufwühlendes Lied, bei dem sich dem Zuhörer das Rückgrat durchstreckt und an dessen Ende der Ruf „Wir sind frei!“ steht. „Herbstlaub“ hingegen kehrt zur neofolktypischen Naturverbundenheit und romantischen Sehnsucht nach den Orten, „wo Licht und Schatten sind vereint / und alle Tränen sind geweint“, zurück, die das deutsche Ausnahmeprojekt Forseti seinerzeit perfektioniert haben. „No Faces In The Shadows“ bietet dann die Rückkehr zu Streichern und Marschtrommeln, die sich gut zusammenfügen und – mit einem abermals tragischen Text – einmal mehr den Schwerpunkt auf dramatische Inszenierung legen. Nach dem apokalyptischen Zwischenspiel „Das letzte Siegel ist gebrochen“ schließt sich das rassige Düsterelektrostück „A Ray Of Hope“ an. Das Live-Glanzstück „Wo die Masken fallen“ sowie das pompöse „Rome’s Rising“, eine Zusammenarbeit mit Von Thronstahl und Spreu & Weizen (JF 41/11), runden den Tonträger gelungen ab und machen Lust auf mehr von diesen aufstrebenden Protagonisten einer neuen Generation melodramatischer Folkmusik. Karma Marata, Das Sturmläuten SkullLine 2012 www.skullline.de |