© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

Der Union gehen die Köpfe aus
Führungsstil: Nur wer Angela Merkel nicht gefährlich wird, kann damit rechnen, von ihr gefördert zu werden
Paul Rosen

Merkel und die Männer: Das ist eine recht einfache Geschichte. Loyal müssen sie sein, treu bis zur Selbstverleugnung. Nur wer aus diesem Holze geschnitzt ist, hat Chancen, von der Pastorentochter an der Macht beteiligt zu werden. Kanzleramtschef Ronald Pofalla ist so ein Mann, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gehört ebenso dazu wie Wirtschafts-Staatssekretär Peter Hintze.

Norbert Röttgen war so ein Mann. Denn die Kanzlerin hat mir ihrem „Enthauptungsschlag“ gegen den Umweltminister wieder einen bekannten Weggenossen entfernt, so daß die FAZ bereits feststellte: „Anders als zu Kohls Zeiten gehen der CDU-Führung mit der Zeit die Politiker aus, die in Wahlkämpfen die Säle füllen können.“

Bei Röttgen ist es vielleicht zwei Jahre her, daß die Kanzlerin begann, sich über ihren, schwarz-grünen Techtelmechteln nicht abgeneigten Umweltminister Sorgen zu machen. Röttgen zeigte sich machtbewußt und griff nach dem Landesvorsitz der Partei in Nordrhein-Westfalen. Die Kanzlerin war überrascht, daß ihr einstiger treuer Parlamentarischer Geschäftsführer (in der Fraktion eine Schlüsselrolle) offenbar flügge werden wollte und Gerüchte aufkamen, Röttgen könne auch Kanzler. Das war der Anfang vom Ende, das ihn in Form einer politischen Hinrichtung durch die Kanzlerin nach der haushohen Niederlage bei der Landtagswahl im Mai ereilte.

Ganz anders ein weiterer Gefolgsmann aus der nordrhein-westfälischen CDU: Ronald Pofalla, der ebenso wie Röttgen Vorsitzender eines CDU-Bezirksverbandes ist, blieb bei der Kandidatenauswahl in Nordrhein-Westfalen in Deckung. Seine Aufgabe sah er wie schon immer an der Seite der Kanzlerin. Sein Profil läßt sich recht einfach beschreiben und gilt auch für die anderen Merkel-Getreuen: „Er ist frei von jeglichem Zweifel an der Richtigkeit der Sache der Partei. Das gilt auch, wenn die Sachverhalte sich mal ändern“, beobachtete die FAS.

Wer mit Merkel besonders gut kann, redet nicht öffentlich darüber. Wichtig ist daher, die Laufbahn der Personen zu kennen. Peter Hintze ist einer dieser Merkel-Vertrauten. Die beiden lernten sich Anfang der neunziger Jahre kennen, als Merkel Umweltministerin in Bonn wurde und Hintze ihr Staatssekretär war. Der „Paladin Merkels“ (Handelsblatt) nahm die unerfahrene Ost-Frau an die Hand, erklärte ihr Bonn, die Bundesrepublik und bewahrte Merkel damit vor einem frühen Absturz. Seitdem marschieren sie Seit’ an Seit’. Hintze ist Chef der mächtigen Landesgruppe der nordrhein-westfälischen CDU-Abgeordneten und schaffte es sogar, die Kritiker nach der jüngsten Wahlniederlage und nach Röttgens Rauswurf zu bändigen. „Wenn er etwas sagt oder schreibt, dann entspricht das meist der Meinung der Kanzlerin“, meint das Handelsblatt. Wobei Kenner von Hintze auf die Floskel „meist“ in dem Zitat verzichten würden.

Das paßt auch auf Annette Schavan, die Bildungsministerin und Stimme von Merkel. Im Windschatten der Kanzlerin überlebte sie bisher die Kritik an ihrer angeblich geschummelten Doktorarbeit, nachdem sie den damaligen Verteidigungsminister, Freiherr zu Guttenberg, wegen dessen Betrügerei schwer angegriffen und damit die Meßlatte hochgelegt hatte. Aber während der Freiherr kippte, nachdem Merkel ihm das Vertrauen entzogen hatte, hält sich Schavan bis heute.

Zu den treuen Paladinen gehören noch der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder, der Staatsminister bei der Bundeskanzlerin Eckart von Klaeden und natürlich Peter Altmaier, der einem Zuchtmeister wie weiland Herbert Wehner bei der SPD nicht unähnlich die Truppen zusammenhält. Als er Röttgen im Kabinett ersetzen mußte, zeigten sich Nachwuchsschwächen im System Merkel: Der neue Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer, als Justitiar der Fraktion und Chef der niedersächsischen Abgeordneten zuvor schon kein unwichtiger Mann, erlebte im Streit ums Betreuungsgeld ein Debakel ohnegleichen bereits in der ersten Amtswoche: In einem „Freitags-Coup“ (Süddeutsche Zeitung) kickte die Opposition mit einem Geschäftsordnungstrick die für die Union wichtige Betreuungsgeld-Debatte weg. Das Thema mußte vertagt werden, weil Grosse-Brömer nicht genug eigene Leute im Saal aufbieten konnte.

Auch mit dem „Grabenkrieger“ Pofalla (Der Spiegel) haben sich Probleme eingestellt. Unvergessen sind seine Ausfälle gegen Andersdenkende wie den Euro-Kritiker Wolfgang Bosbach, dessen „Fresse” er nicht mehr sehen und dessen „Scheiße” er nicht mehr hören konnte.

Unabhängige Köpfe sind in der Union Mangelware. Seit Merkels Kanzlerschaft gaben mit Stoiber, Rüttgers, Oettinger, Koch, Wulff, von Beust, Carstensen und Müller acht prominente Unions-Ministerpräsidenten auf oder wurden abgewählt. Merkel hielt keinen einzigen in der Führung. Eine unabhängige Rolle spielt bestenfalls noch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. „Merkel fördert in der Partei lediglich reizlose Figuren, die nicht widersprechen“, erkannte Die Welt, und der thüringische Fraktionschef Mike Mohring, einer der Konservativen in der CDU, bestätigt das mit dem Hinweis, daß „jede von der Parteiführung abweichende Meinung gleich als Hochverrat bestraft wird“.

Foto: Ronald Pofalla, Angela Merkel und Volker Kauder im Reichstag: Treue, reizlose Paladine der Kanzlerin

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