© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

Grüße aus Bozen
Die Bären sind los
Hans Gernheim

Es kommt eher selten vor, daß sich die Bild-Zeitung mit Südtirol beschäftigt. Bozen wird zwar löblicherweise immer noch unter den „Wettervorhersagen international“ aufgelistet, doch ansonsten widmet sich Deutschlands auflagenstärkstes Boulevardblatt dem äußersten deutschen Süden eher selten. Anfang Juni war’s dann doch soweit, und das Thema schien für Bild geradezu gemacht: „Alfa Schrott, Bär tot“. Ein junger Braunbär lief auf der Schnellstraße von Bozen nach Meran einem Alfa Romeo direkt vor die Kühlerhaube. Bär eben tot, Alfa Schrott, Fahrer unverletzt. Den Unfall verdankt man dem Projekt „Life Ursus“, das seit 1998 im Naturpark Adamello-Brenta des benachbarten Trentino die Wiederansiedlung von Europas größtem Raubtier betreut.

Die Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens ist in Südtirol nicht erst seit dem berühmtgewordenen Problembär Bruno umstritten: immer wieder verlassen einzelne Bären ihren zugewiesenen Lebensraum im Naturpark und wandern Richtung Norden. Dabei verhalten sich die Bären instinktgemäß: Sie reißen Schafe, plündern Hühnerställe und treiben als „opportunistische Allesfresser“ die Bergbauern des nahe gelegenen Ultentales und des Deutschnonsbergs zur Verzweiflung.

Alle Appelle der Bevölkerung, das Bärenprojekt zu stoppen, verhallten ungehört. Der Bär habe seinen Lebensraum, er müsse auch den Weg in unsere Herzen finden, so dekretierte das Amt für Jagd und Fischerei des Landes Südtirol.

Derweil hat sich eine regelrechte „Bärenopposition“ zusammengefunden, die von Landwirten über die Bürgermeister der jeweils betroffenen Gemeinden bis zur Tageszeitung Dolomiten reicht und den Abschuß der Bären fordert, wenn sie in bewohnte Gebiete eindringen. Dem Amt für Jagd und Fischerei der Provinz Bozen zufolge war im Jahr 2011 der Verlust von 20 Haustieren zu verzeichnen. 44 Bienenvölker wurden zerstört.

Dagegen steht der Widerstand italienischer Tierschutzorganisationen. Vielleicht sollten sich die „Bärenapostel“ einmal „Brehm’s Tierleben“ (1869) zu Gemüte führen. Der Altmeister zoologischer Forschung wußte von Meister Petz zu sagen: „In der Nähe menschlicher Wohnsitze fügen sie dem Haushalte Schaden zu, und die stärkeren Arten werden zuweilen zu höchst gefährlichen Raubthieren.“ Die Bärenromantik manch italienischer Stadtneurotiker hat eben wenig mit der ländlichen Südtiroler Wirklichkeit gemein.

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