© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

Zeitschriftenkritik: Hohe Luft
Wie frei wir sind
Werner Olles

Karl Marx hat das stets wiederkehrende philosophische Grundproblem, das jedoch eigentlich eher das Grundproblem der Philosophen ist, auf den Punkt gebracht: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Als Wissen von den letzten Gründen und Normen der Gesamtwirklichkeit, die sie im Gegensatz zu einer auf übernatürliche Offenbarung beruhenden Theologie mit dem Licht der Vernunft zu erfassen sucht, gliedert sich die Philosophie (gr. = Weisheitslehre) in die Lehren von Sein, Erkennen, Handeln und Denken als Hauptdisziplinen. Metaphysik, Erkenntnistheorie, Ethik und Logik bildeten in der Philosophia perennis, der immerwährenden Philosophie, schließlich den Grundgehalt der abendländischen Philosophie, die aus dem sokratischen und platonischen Idealismus und dem aristotelischen Realismus hervorging und bei den Kirchenlehrern Augustinus und Thomas von Aquin enge Bindungen mit der christlichen Theologie einging.

Die sechsmal jährlich im Umfang von etwa100 Seiten im Din-A4-Format erscheinende Philosophie-Zeitschrift Hohe Luft („Für alle, die Lust am Denken haben“) bewegt sich in ihrer aktuellen Ausgabe (3/2012) mehr in bodenständigen Gefilden. Kants Kritizismus und Fichtes und Hegels Deutscher Idealismus sind hier nicht gefragt, selbst die gegenwärtige Neu-Scholastik ist ebensowenig ein Thema wie die Existenzphilosophie. Das allein muß nun noch kein Manko sein, doch wenn man sich zuviel zeitgeistigen Themen wie „Was ist cool?“ oder „Mode hat Sinn“ verschreibt, gerät man leicht in Gefahr, statt hoher Luft eher heiße Luft zu verströmen.

Wichtigere Themen sind „Das Prinzip Verantwortung“ und „Wem gehört die Freiheit?“ So ist beispielsweise die Frage, ob wir wirklich so frei sind, wie wir denken, gar nicht so leicht zu beantworten. Zum einen hat sich das Freiheitsverständnis über Jahrhunderte hinweg entscheidend verändert. Private Unabhängigkeit, die nach gängiger Auffassung heute bedeutet, ziemlich alles tun und lassen zu können, was man will, war noch bis in die Nachkriegszeit der 1950er Jahre undenkbar. Recht vage bleiben auch die Definitionen von negativer und positiver Freiheit: Während erstere die Abwesenheit von Behinderungen meint, versteht man unter letzterer Selbstbestimmung. Und selbst bei Bundespräsident Gauck bleibt vieles unklar, wenn er über sein Lebensthema „Freiheit“ spricht. Sind Gerechtigkeit und Selbstverwirklichung tatsächlich die wichtigsten Grundelemente von Freiheit?

Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff „Verantwortung“, der heute wieder Konjunktur hat. In der Politik müssen permanent verantwortungsvolle Entscheidungen getroffen werden, die nicht selten die Existenz eines ganzen Volkes massiv beeinflussen, wie beispielsweise in der aktuellen Euro-Krise. Zumindest hier sind die Grenzen des Verantwortbaren jedoch längst überschritten, nur haben dies die Verantwortlichen offenbar noch nicht erkannt.

Kontakt: Hohe Luft Verlag, Hoheluftchaussee 95, 20253 Hamburg. Das Einzelheft kostet 8 Euro, das Jahresabo 36 Euro.

www.hoheluft-magazin.de

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