© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

CD: Shakespeare
Prinz der Düsterkeit
Sebastian Hennig

Unnötig, genau zu wissen, welche Person sich hinter William Shakespeare verbarg, wenn uns Dramen wie „Hamlet, Prince of Denmark“ sein Weltbild ausbreiten. Eine dänische Produktion versammelt den musikalischen Widerhall der romantischen Epoche auf das wesentliche Stück des Engländers.

Ganz vom Geist der Wiener Klassik durchdrungen ist die Musik des deutsch-dänischen Komponisten Friedrich Kuhlau. Seine Ouvertüre zu „William Shakespeare“ steht wie ein Frontispiz-Porträt am Beginn. Die Musik begleitete ein historisches Drama über den großen Bühnendichter vom dänisch-norwegischen Autor Caspar Johannes Boye.

Nach dieser dekorativen Einleitung wird es verzweifelt ernst. Wenn Kuhlau begeistert auf Shakespeare blickt, so fühlt sich Tschaikowski im Innersten ergriffen und durchwühlt. Auch seine phantastische Ouvertüre zu „Hamlet“ war eigentlich als Schauspielmusik gedacht. Der Darsteller Lucien Guitry, der zu einem Wohltätigkeitsabend den düsteren Prinzen verkörpern sollte, bat den Freund um ein kleines Orchesterstück. Der Anlaß zerstob, aber Tschaikowski formte das Material zu einem eigenen Stück. Im Gegensatz zur populären „Romeo und Julia“-Musik erklingt diese Ouvertüre recht selten. Sie entstand unmittelbar nach Vollendung der fünften Sinfonie, deren Widerstreit zwischen Ergebung und Aufruhr auch dieses Werk beherrscht.

Franz Liszt überliefert uns die verhängnisvolle Geistererscheinung auf der Terrasse des Schlosses von Helsingör. „Sehr langsam und düster“ beginnt seine sinfonische Nachdichtung des „Hamlet“. Rücksichtslose Empörung des jugendlichen Prinzen wird von einer zarten Schilderung der Ophelia abgelöst, über die der brutal Verzweifelte schließlich hinwegtrampelt.

Weicher und klassisch gebundener tönt die fünf Jahre zuvor entstandene Ouvertüre zu „Hamlet“ von Joseph Joachim. Sie hat sich unter dem Einfluß der neudeutschen Schule von Liszt in Weimar entwickelt. Kurze Zeit später ereignete sich die folgenreiche Begegnung mit Johannes Brahms. Joachims erste Ouvertüre wurde noch auf beiden Seiten der damaligen musikästhetischen Demarkationslinie willkommen geheißen. Als ein beschwichtigendes, retardierendes Moment zwischen den Turbulenzen steht sie hier am rechten Platz.

Der 23jährige Amerikaner Edward MacDowell weilte 1884 mit Gattin in London. Neben gewiß vielem anderen sahen sie dort auch einige Shakespeare-Aufführungen mit den großen Darstellern jener Epoche. Diese leibliche Wiederauferstehung der um 1600 gestalteten Schicksale entflammte MacDowell zu seinem musikalischen Doppelporträt „Hamlet and Ophelia“.

Die musikalischen Anverwandlungen der Tragödie des Dänenprinzen bringt das Südjütländische Sinfonieorchester zu Gehör unter der Leitung ihres russischen Chefdirigenten Wladimir Ziva. Die Platte enthält sehr gute Einspielungen im einzelnen unbedingt hörenswerter Stücke. Und doch wirkt die thematische Zusammenstellung ermattend. Eine gewisse musiksprachliche Routine in der Bewältigung der gleichen Aufgabe unterhöhlt das Pathos. Dem ist aber abzuhelfen, wenn man den einzelnen Stücken als aufmerksamer Hörer gegenübertritt.

Music inspired by Shakespeare and Hamlet, Kuhlau, Tchaikovsky, Liszt, Joachim, MacDowell Danacord, 2011 www.danacord.dk

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