© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

Blick in die Medien
Breslau, Danzig und Lemberg sind zurück
Ronald Gläser

Zu den schönsten Aspekten der Fußballeuropameisterschaft gehört die Tatsache, daß die (ost-)deutschen Städtenamen zurück sind. Die deutsche Mannschaft ist in Danzig untergebracht – und nicht in Gdansk. Sie spielte in Lemberg statt in Lwiw, Lviv, Lwew oder Lwow. In Danzig bestreitet sie laut ARD am Freitag sogar ein Heimspiel. Oha.

Das ist ebenso erfreulich wie überraschend. Vor zehn Jahren waren die Deutschen noch nicht soweit. Da war beispielsweise beim Berliner Inforadio 2001 noch penetrant von der „Bulle von Wroclaw“ die Rede, als es um ein Breslauer Kirchendokument ging. Der RBB-Sender reagierte damals mit Unverständnis auf Kritik.

Das war seinerzeit normal. Nur wenige der marktbeherrschenden Medien, darunter beispielsweise Die Welt, die FAZ oder der Bayerische Rundfunk, unterwarfen sich nach dem Beginn der „Entspannungspolitik“ nicht vollständig diesem neuen Sprachdiktat der Linken.

Zeitweise sah es so aus, als wäre die Neubenennung ein unumkehrbarer Prozeß. Daß sich diese vom linken Zeitgeist diktierte Sprachregelung mit der EU-Osterweiterung wie von Geisterhand in Luft aufgelöst hat, ist ein kleines Wunder.

Um so ärgerlicher ist es, daß nun ausgerechnet Zeitungen wie die ach so konservative FAZ-Schwester FAS plötzlich die Sprache und das Denken der Linken aus der Zeit des Kalten Krieges übernehmen. Kürzlich erschien die Sonntagszeitung mit einer Geschichte über „das südpolnische Wroclaw“, in dem die Polen bis 1990 nur wie „in einem Provisorium“ hätten leben können. Der Grund: Die Bundesrepublik habe „unter dem Druck der Vertriebenenverbände die polnische Westgrenze nicht anerkannt“, so der Autor, der von den Ostverträgen nichts gehört, dafür aber um so mehr kommunistisch-nationalpolnische Angstpropaganda verinnerlicht zu haben scheint.

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