© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Mit westfälischer Sturheit gegen politische Korrektheit
Geschichtspolitik: Die Umbenennung des Hindenburgplatzes in Münster droht am Widerstandswillen engagierter Bürger zu scheitern
Toni Roidl

Die Debatte um die Umbenennung des Hindenburgplatzes in Münster hat die nächste Phase erreicht. Die Bürgerinitiative, die für die Beibehaltung des Namens eintritt, hat Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) 16.700 Unterschriften gegen die Umbenennung übergeben. Damit muß der Stadtrat das Thema erneut auf die Tagesordnung setzen. Ein Bürgerentscheid im September gilt als sicher.

Ein kurzer Rückblick: Der Hindenburgplatz in Münster ist nicht irgendein Marktflecken. Der Platz, der zwischen der historischen Altstadt und dem fürstbischöflichen Schloß liegt, ist die zweitgrößte innerstädtische Freifläche Europas. Um den Platz herum, der bist 1928 schlicht „Neuplatz“ hieß, gruppieren sich die Westfälische Wilhelms-Universität, das Landgericht sowie das Hauptquartier des Deutsch-Niederländischen Korps.

Bereits seit den achtziger Jahren gab es eine Handvoll vergeblicher Vorstöße, das Areal umzubenennen. Doch 2011 ließ Oberbürgermeister Lewe (CDU) eine Kommission von Historikern einsetzen, die untersuchen sollten, ob eine Ehrung Hindenburgs weiter in Frage käme. Die Professoren stammten aus dem links-alternativen Milieu, daher war das Ergebnis nicht überraschend: Hindenburg sei nach neuen Forschungsergebnissen als „Stütze des NS-Regimes“ anzusehen und daher als Namensgeber nicht mehr vertretbar. Der Oberbürgermeister setzte sich flugs selbst an die Spitze der Kommission und trat im Rat gegen die Stimmen seiner eigenen Fraktion für die Umbenennung des Hindenburgplatzes ein. Der Stadtrat sprach sich für die neue Namensgebung „Schloßplatz“ aus. Schon am Tag nach dem Ratsbeschluß Ende März konstituierte sich eine Bürgerinitiative gegen den Schildertausch.

Für ein Bürgerbegehren hätte die Initiative 9.500 Unterzeichner sammeln müssen (4 Prozent der Wahlberechtigten ab 16 Jahre). Laut Sprechern der Initiative erhielten sie die Mehrheit der nun 16.700 Unterschriften gleichermaßen von Senioren und Studenten, während die Ablehner eher im mittleren Alter waren. Die regelmäßigen Unterschriftenstände in der Fußgängerzone fanden starken Zulauf, obwohl in der Lokalpresse mehrfach aggressiv gegen die Hindenburg-Befürworter Stimmung gemacht wurde. So wurde nicht nur Hindenburg, sondern auch der Bürgerinitiative eine Nähe zum nationalsozialistischen Regime beziehungsweise zum Rechtsextremismus zugeschrieben.

Um der Umbenennung ein demokratisches Feigenblatt zu verleihen, ließ Lewe 5.000 Fragebögen an statistisch ermittelte Bürger versenden. Die Frage lautete: „Nach neueren quellengestützten Forschungsergebnissen ist der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg als Stütze des NS-Regimes anzusehen. Besteht heute noch ein Anlaß, Hindenburg durch die Namensgebung für den größten Platz Münsters zu ehren?“ Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Emnid Klaus-Peter Schöppner bezeichnete die Formulierung in der Presse als „nicht fair“ und „nicht objektiv“. Nur 18 Prozent der Angeschriebenen stimmten für die Umbenennung. Der OB erklärte jedoch, die Briefumfrage sei für den Beschluß nicht bindend. Daher startete die Bürgerinitiative ein „kassierendes Bürgerbegehren“, um den Beschluß zurückzunehmen.

Die Münsteraner haben darin schon Routine: Seit 1996 ist dies der vierte Bürgerentscheid. Die vorherigen richteten sich gegen eine Gesamtschule, gegen die Teilprivatisierung der Stadtwerke sowie gegen den Bau einer städtisch finanzierten Musikhalle – die übrigens ebenfalls auf dem Hindenburgplatz geplant war. Ein weiteres Bürgerbegehren gegen die Schließung zweier städtischer Schwimmbäder scheiterte aus formalen Gründen.

Die Lokalpolitik hat dramatisch unterschätzt, daß sich die sprichwörtliche westfälische Sturheit in heftige Renitenz verwandeln kann, wenn Umwälzungen zentrale Nerven des westfälischen Gemüts reizen. Dann neigt der Münsteraner dazu, der Obrigkeit die Stirn zu bieten. Kein Wunder, daß weder Napoleon noch Otto von Bismarck mit der Mentalität dieses Völkchens jemals warm wurden.

Kommt es nun Mitte September zu einem Bürgerentscheid über den Hindenburgplatz, müssen mindestens 23.500 Münsteraner für den alten Namen stimmen, und es müssen mehr Stimmen dafür als dagegen abgegeben werden. Obwohl auch Grüne und DGB ihre Anhänger gegen den Hindenburgplatz mobilisieren, sieht die Bürgerinitiative der Abstimmung zuversichtlich entgegen.

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