© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Antikapitalistisch, militant und neofaschistisch
Italien: Casa Pound, die „Faschisten des dritten Jahrtausends”, provozieren durch ihr Auftreten, finden aber aufgrund der Krise vermehrt Zuspruch
Johannes Schüller

Als Italiens Ministerpräsident Mario Monti Mitte Juni das „Vodafone-Village“ in Mailand eröffnete, flogen Nebelkerzen und antikapitalistische Parolen. Die neofaschistische Organisation Casa Pound Italia (CPI) und die ihr angeschlossene Gewerkschaft Blocco Lavoratori Unitario (Vereinigter Arbeiterblock“) hatten zu einem „Blitz“ aufgerufen. Um die 30 „militanti“ kamen. „Die Regierung der Banken: Gegen die Schwachen und für die Starken“ schreien die „militanti“ und werfen Monti vor, Italiens Arbeiter zu versklaven.

Benannt hat sich „Casa Pound“ nach Ezra Pound, einem US-amerikanischen Dichter und Mussolini-Anhänger. Der antikapitalistische und militante Grundgestus gehört zum festen Programm der nationalistischen Hausbesetzerbewegung CPI. Simone di Stefano, der zweite Mann nach Gründer und Präsident Gianluca Iannone, erklärt: „Vor CPI haben die rechten und neofaschistischen Parteien meistens nur über die Außenpolitik oder nationale Identität gesprochen. Wir wollen aber vor allem für die einfachen Leute dasein: den Arbeiter, die Arbeitslosen und die italienische Familie.“

Als Anhänger der Rechtsrock-Gruppe „Zetazeroalfa“ im Juli 2002 das erste Grundstück in Rom besetzten, kündigte sich schon die Verschmelzung vieler Rechtsparteien in der liberalkonservativen Berlusconi-Partei Popolo della Libertà an. Damit entstand am rechten Rand ein Machtvakuum, das CPI durch besetzte Jugendzentren, soziale Projekte und Demonstrationen außerparlamentarisch füllte. Die Organisation arbeitet kommunal mit liberalkonservativen bis nationalistischen Parteien zusammen.

CPI hat es 2012 in die gern beschworene „Mitte der Gesellschaft“ geschafft. Bereits 2008 zählte sie 2.000 eingeschriebene Mitglieder, viele Sympathisanten, über gesamt Italien verteilte Jugendzentren, 15 Buchläden und 20 Lokale, acht Sportvereine sowie das Internetradio „Bandiera Nera“ (Schwarze Fahne). Hinzu kamen zwei Zeitschriften und ein eigenes Internetfernsehen. Heute gehören zum näheren Umfeld von Casa Pound etwa 70 über Italien verteilte Zentren, darunter drei Wohnhäuser für italienische Familien. Nach CPI soll ein Staatsdarlehen es jeder italienischen Familie zinsfrei ermöglichen, ein eigenes Haus zu kaufen.

Bei den letzten Universitätswahlen in Rom erhielt die CPI-Organisation Blocco Studentesco 20 Prozent der Stimmen. Die vor allem außerparlamentarisch aktiven Neofaschisten rekrutieren ihre „militanti“ aus den 18- bis 35jährigen. In ihrem Zentrum in der Via Napoleone III 8 in Rom finden sich neben Pound auch Ernst Jünger, Gabriele D’Annunzio und natürlich der Futurist Filippo Tommaso Marinetti ikonographisch zitiert. CPI versteht sich als avantgardistische und antibürgerliche Bewegung und knüpft stilistisch an den futuristischen und faschistischen Stil an.

Regelmäßig provoziert sie durch diese stark nostalgischen Referenzen. Als im Dezember 2011 ein Sympathisant zwei Senegalesen auf offener Straße erschoß, stand CPI erneut im öffentlichen Interesse. Offiziell versteht CPI die Migranten als Opfer der Globalisierung. Auch ihre nationale Identität sei bedroht. Freilich rekrutiert die Organisation ihre Fußtruppen trotzdem aus dem zum Teil ausländerfeindlichen Hooligan-Spektrum.

Im Frühjahr 2013 dürfte mit den römischen Provinzwahlen auch wieder die Regierung Monti zur Debatte stehen. CPI hat bereits eigene Kandidaten angekündigt.

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