© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Jedem der Seine
Ausstellung I: „Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt“ im Deutschen Historischen Museum
Ekkehard Schultz

Anläßlich des 300. Geburtstages des Preußenkönigs Friedrich II. wird derzeit in vielen Ausstellungen an den charismatischen Herrscher erinnert. Während in Wustrau der „praktische Aufklärer“ gefeiert wird (siehe nebenstehenden Beitrag) und man im Potsdamer Filmmuseum der Frage nachgeht, in welcher Weise Fridericus Rex auf der Leinwand präsentiert wurde, widmet sich das Deutsche Historische Museum in Berlin unter dem Titel „Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt“ der Rezeption der nachhaltig wirkenden Persönlichkeit seit seinem Tode.

Dieser Ansatz ist vor allem deswegen reizvoll, weil kaum ein anderer Herrscher, der auf deutschem Gebiet regierte, sowohl von seinen Zeitgenossen als auch von den späteren Generationen so unterschiedlich beurteilt wurde. Allein schon die so vielfältigen Facetten seines Wirkens und Handelns forderten historische wie auch politische Stellungnahmen der Nachgeborenen geradezu heraus. Auch in der heutigen Zeit hat sich an diesem Phänomen kaum etwas geändert.

So verwundert es nicht, daß fast jede Gesellschaftsgruppe bei Friedrich II. zumindest einen positiven (Teil-)Aspekt fand, mit dem sie sich identifizieren konnte. Die Revolutionäre von 1848/49 beriefen sich vor allem auf die Toleranzpolitik des Königs und seine Grundsätze hinsichtlich der Presse- und Meinungsfreiheit. Seit den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts und der Gründung des Deutschen Reiches von 1871 stand hingegen das militärische Genie an erster Stelle. Nach der Niederlage von 1918 diente Friedrich II. als Symbolfigur für das Überleben des Staates und eine Bewährung in schwieriger Position. Nach 1945 versuchten sowohl die junge Bundesrepublik als auch die DDR den vermeintlichen preußischen Irrweg mit neuen Grundsätzen zu überwinden und sich bewußt von ihm abzugrenzen – wenn auch auf unterschiedliche Weise. Doch seit den achtziger Jahren wird der Preußenkönig in der Öffentlichkeit immer mehr zu einem Symbol eines allgemeinen Bekenntnisses zur deutschen Vergangenheit mit all ihren Kontinuitäten, Brüchen und Widersprüchen.

Nicht nur vor diesem Hintergrund wird offensichtlich, daß die Inanspruchnahme Friedrichs häufig mit einer gezielten Kritik an den Zuständen der jeweiligen Gesellschafts-epoche verbunden war und dies auch heute noch ist. Gerade deswegen bedienten sich die Zeitgenossen der historischen Persönlichkeit als gedankliches Korrektiv.

Generell bleibt der Blick der Ausstellungsmacher um Ehrhardt Bödecker auf Friedrich II. nicht auf die deutsche oder brandenburgisch-preußische Perspektive beschränkt. Vielmehr wird ein enger Bezug zu europäischen Betrachtungsweisen geknüpft, die nicht weniger heterogen ausfallen. So fällt auf, daß der Preußenkönig in Frankreich allgemein weit weniger kritisch betrachtet wird, was mit Sicherheit auch auf dem engen Austausch mit den französischen Aufklärern beruht. Dagegen ist der Alte Fritz in Polen immer noch in erster Linie als kolonisierender „Ostlandritter“ präsent, obwohl sich gerade in den letzten Jahren ein Wandel abzeichnet. In altbekannte Schubladen griff auch die sowjetische Propaganda im Zweiten Weltkrieg, als sie auf zahlreichen Plakaten Friedrich in einen unmittelbaren Kontext zu Hitler stellte. Diese Perspektive sollte später insbesondere in der DDR noch über Jahrzehnte einen zentralen Orientierungspunkt der offiziellen Geschichtsschreibung bilden.

Insgesamt bietet die Ausstellung ein interessantes und vielschichtiges Panorama. Dazu trägt ebenfalls bei, daß sie sich nicht nur auf die sogenannte Hochkultur beschränkt, sondern vielmehr auch auf vielfältige Bezüge zur Alltagskultur verweist.

Die Ausstellung „Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt“ ist bis zum 26. August im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums, Hinter dem Gießhaus, täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 030 / 20 30 40 Der reich illustrierte Begleitband mit 244 Seiten kostet 24 Euro.

www.dhm.de

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