© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Wegweisende Koordinaten gesetzt
Für sein Volk und sein Land: Das Brandenburg-Preußen-Museum in Wustrau feiert Friedrich den Großen als praktischen Aufklärer
Sebastian Pella

Mit der Sonderausstellung „Friedrich der Große als praktischer Aufklärer“ sticht das Brandenburg-Preußen-Museum in Wustrau aus dem Reigen von Friedrich- Ausstellungen anläßlich des Jubiläumsjahres deutlich heraus. Die dem 300. Geburtstag des großen Königs gewidmete Schau thematisiert dessen bedeutende Rolle für die fortschrittliche Entwicklung des preußischen Staates. Augenmerk wird hierbei neben der religiösen Toleranz insbesondere auf die Reformtätigkeit des Preußenkönigs gelegt, die in der Schul- und Bildungspolitik, dem Justizwesen sowie der öffentlichen Verwaltung bis heute wegweisende Koordinaten setzte.

Der Besucher blickt bei Eintritt in den Ausstellungsraum direkt auf eine Replik von Christian Frischs Gemälde „Friedrich inspiziert die Trockenlegung und Besiedlung von Rhinluch und Dossebruch 1779“. Die in dem Bildnis aufgegriffene Thematik – der von Friedrich angestoßene Akt zur Landgewinnung durch die Entwässerung des Oderbruchs zwischen 1747 und 1763 stellt das wohl bekannteste Projekt dieser Art dar – zeigt den König als vorausschauenden Bevölkerungspolitiker. 1.134 Familien aus dem mitteleuropäischen Ausland siedelte Friedrich in dreißig neuen Dörfern und Siedlungen an und äußert am Rande einer Deichbesichtung im Jahr 1763: „Hier habe ich im Frieden eine neue Provinz erobert.“

Die in Preußen geltende religiöse Toleranz erhob Friedrich zur Staatsdoktrin („Jeder soll nach seiner Façon selig werden“), verband diese aber mit dem Zwang zur bedingungslosen Loyalität gegenüber dem preußischen Staat und seinem Regenten. Insbesondere die Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses auf die Staatsangelegenheiten sowie die aus einem aufklärerischen Geist gespeiste „politische Abkehr von kirchlicher Dogmatik zugunsten des Gebots menschlicher Vernunft“ waren Leitlinien von Friedrichs Toleranzgedanken. Orientiert an der Philosophie Christian Wolffs intendierte er die Herausbildung „allgemein gültiger Normen als Grundlagen staatlichen Lebens“ und versuchte Wolffs Tugendkatalog von „gemeiner Wohlfahrt“ sowie „gemeiner Sicherheit“ als Lebensgesetze von Volk und Staat zu fördern. Die Ausstellung zeigt – neben anderen – eine Büste dieses großen Philosophen und erinnert an Wolffs Einfluß auf Friedrichs Aufklärungspolitik anhand illustrierter Schautafeln.

Neben Wolff ragt die Büste des wohl nur in der Fachwelt bekannten Juristen Carl Gottlieb Svarez hervor, der maßgeblich an der Ausarbeitung des Corpus Juris Fridericianum (Zivilprozeßordnung), der Allgemeinen Gerichtsordnung und vor allem dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) beteiligt war. In der von der Juristischen Gesellschaft in Berlin 1876 gestifteten Eisenplatte am Grabe Svarez’ ist die Inschrift überliefert: „Dem Gedächtniß des ruhmreichen Mannes Svarez, welcher den Gedanken des großen Königs, seinen Landen ein allgemeines Landrecht zu geben, mit schöpferischer Kraft ausführte.“

Mit der Beauftragung zur Erstellung dieser juristischen Kodifikation aus Zivil- und Strafrecht sowie Teilen des Öffentlichen Rechts in einem Gesetzbuch leistete Friedrich der Große einen Meilenstein in der Rechtsgeschichte. Die Vereinheitlichung des Rechts bildete die Grundlage für einen auf Vernunft, Wahrheit und Gerechtigkeit basierenden Grundrechtekatalog im Sinne der „praktischen Aufklärung“ Friedrichs, deren Einfluß – so verdeutlicht die Ausstellung – bis in die Ausgestaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland reichte.

Diesem zentralen Themenfeld treten vielseitige Einzelaspekte beiseite, die beleuchten, wie „der Ideenträger Friedrich“ den preußischen Staat in die Moderne führte. Der von Fridericus Rex geschlossene Freundschafts- und Handelsvertrag mit den Vereinigten Staaten (1785), der völkerrechtliche Standards setzte und die Wirkmacht deutscher Einflüsse auf die Geschichte Nordamerikas verdeutlicht, beeindruckt ebenso wie die vom Preußenkönig höchstselbst unterzeichnete Promotionserlaubnis für die berühmte Ärztin Dorothea Erxleben aus Quedlinburg, die mit dieser Erlaubnis als erste deutsche Ärztin promoviert werden durfte. Stellt der Fall Erxleben ein pragmatisches Beispiel für den fortschrittlichen Charakter Preußens dar, wird das Thema des preußischen Einflusses auf die Entwicklung in Nordamerika mit der Darstellung Friedrich Wilhelm von Steubens als Reorganisator der Kontinentalarmee im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg vertieft und aufgezeigt, inwieweit preußisch-deutsche Impulse stärker wogen als der englische Einfluß.

Ergänzt wird die Sonderausstellung durch Gemälde, Porträts und Urkunden, die die Bedeutung Friedrichs als Initiator und Reformer herausstellen, der – wie beispielsweise in dem von ihm forcierten Generallandschulreglement (1763) als erste Volksschulordnung mit allgemeiner Schulpflicht, staatlicher Aufsicht, Lehrplan und Regelung der Lehrerausbildung – als „praktischer Aufklärer“ stets das Beste für sein Volk und sein Land im Sinne hatte.

Die Ausstellung ist bis zum 30. September im Brandenburg-Preußen-Museum, Eichenallee 7a, 16818 Wustrau, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 03 39 25 / 7 07 98

www.brandenburg-preussen-museum.de

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