© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Lockerungsübungen
Schutz für Gutverdiener
Karl Heinzen

Katja Kipping, der neuen Vorsitzenden der Linken, ist es gelungen, ihre Partei erstmals seit langen Monaten wieder mit einem Thema ins Gespräch zu bringen, das nichts mit internen Querelen zu tun hat. 40.000 Euro pro Monat, so ihre Auffassung, müßten doch auch für einen Manager als Bruttoverdienst ausreichend sein. Jenseits dieser Schwelle sollte daher ein Grenzsteuersatz von 100 Prozent zur Anwendung kommen. Ihre Begründung verrät allerdings, daß sie sich in die Mentalität von Beschäftigten, die ihre Arbeit ganz gleich zu welchem Preis verkaufen, nicht hineinzudenken vermag: „Kein Mensch braucht mehr als das Vierzigfache des Mindesteinkommens“ – das sehen die Betroffenen sicherlich ganz anders, und auch Geringverdiener dürften keine Mühe haben, Auskunft darüber zu erteilen, was sie mit dem vielen Geld anstellen würden, so sie das Glück nur in der Einkommenspyramide ganz nach oben verschlagen hätte.

Die Kritik, die Kipping bislang erntet, begnügt sich leider mit dem Hinweis, daß ein Grenzsteuersatz von 100 Prozent auf eine entschädigungslose Enteignung hinauslaufe und damit das Grundrecht auf Eigentum verletzte. Dieser Einwand ist jedoch hilflos, da den Gutverdienern bis zu einem Schwellenwert ja nicht alles genommen würde und zudem jede Steuer als eine Enteignung zu betrachten ist. Er ist zudem entlarvend, da das Grundrecht auf Eigentum bloß eine Fehlfarbe im Katalog der Menschenrechte darstellt – im Sinne eines Zugeständnisses, das die Menschheit dem Bürgertum dafür einräumen mußte, daß es sich deren Durchsetzung auf die Fahne schrieb.

Dabei mangelt es nicht an triftigen Argumenten gegen Kippings Vorschlag. Die Gesellschaft würde sich nie einigen können, welches Entgelt für welche Leistung angemessen ist. Da ist es humaner und effizienter, die Entscheidung dem Spiel von Angebot und Nachfrage zu überlassen. Extrem hohe Einkommen mögen überdies noch so anstößig sein. Sie sind zugleich ein Ansporn für die Massen: Gäbe es in der Lebenslotterie keine Hauptgewinne, würden viele gar nicht erst mitmachen. Und nicht zuletzt sind auch Gutverdiener Konsumenten. Sie fragen Güter nach, die sich sonst niemand leisten kann. Fielen sie aus, wären ganze Branchen gefährdet und unsere Warenwelt würde seiner Glanzstücke beraubt veröden.

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