© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Harte Denkerin
Eine Lanze für Hannah Arendt
Bernd Feiler

Seit 1963, als ihre Reflexionen über den Prozeß gegen den SS-Offizier Adolf Eichmann in den USA erschienen („Eichmann in Jerusalem. A Report on the Banality of Evil“), ist die jüdisch-deutsche Philosophin Hannah Arendt (1906–1975) immer wieder Zielscheibe gehässiger zionistischer Attacken gewesen. Man warf der in der großbürgerlichen Atmosphäre des Königsberger Judentums aufgewachsenen Heidegger-Schülerin „Antisemitismus“ vor, da man in ihre Rede von der „Banalität des Bösen“ eine „Verharmlosung des Massenmords an den europäischen Juden“ hineinlas und überdies ihre Hinweise auf erzwungene Hilfsdienste jüdischer Funktionäre bei der „Endlösung“ als unzulässige Schuldzuweisung interpretierte. Die Ablehnung des zionistischen Establishments in den USA verstärkte sich noch aufgrund Arendts sporadischer Kritik an Israels Politik. Zudem nahm man die emigrierte „harte Denkerin“, die seit 1941 in den USA arbeitete, als arrogante Alteuropäerin wahr, die ihre preußisch-deutsche Mentalität zu schroff herauskehrte.

Irving Louis Horowitz, emeritierter Politologe an der Rutgers Universität (New Jersey), hat diese bis heute virulenten Attacken auf Arendt als „heimlicher jüdischer Antisemitin“ (Bernard Wasserstein, 2009) zum Gegenstand einer Sammlung von knappen Repliken gemacht. Ihm geht es dabei weniger darum, seine Heldin gegen solche abstrusen Polemiken zu verteidigen, zumal er dazu neigt, die primitiven Schablonen seiner Kollegen gelten zu lassen, solange sie nicht die verehrte Arendt, sondern etwa „Heideggers krude Nazivergangenheit“ oder den „Obskurantismus“ dieses angeblichen „Naziphilosophen“ treffen.

Das eigentliche Anliegen von Horowitz besteht darin zu verhindern, daß Denunziationen wie die von Wasserstein & Co. langfristig den Einfluß von Arendt als zukunftsträchtiger Analytikerin des Totalitarismus untergraben. Hier sieht Horovitz noch unausgeschöpftes intellektuelles Potential, das sich im 21. Jahrhundert gegen neue, die „offenen Gesellschaften und das freie Denken“ bedrohende Erscheinungsformen des Totalitarismus aktivieren lasse. Ob Arendts Anti-Kollektivismus dabei mit Horowitz als „Radikal-Konservatismus“ zutreffend bezeichnet ist, bleibt allerdings fraglich.

Irving Louis Horowitz: Hannah Arendt – Eine Radikal-Konservative, Ontos Verlag, Heusenstamm 2012, broschiert, 113 Seiten, 14,99 Euro

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