© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/12 06. Juli 2012

Das Optionsmodell auf dem Prüfstand
Staatsangehörigkeitsrecht: Eine Studie untersucht die Erfahrungen junger Einwanderer, die sich zwischen zwei Pässen entscheiden müssen
Lion Edler

SPD, Grünen und Linkspartei ist sie seit ihrer Einführung im Jahr 2000 ein Dorn im Auge: die sogenannte „Optionspflicht“ bei Einbürgerungen. Nach der von der damaligen rot-grünen Bundesregierung angestoßenen Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes erhalten in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen mit der Geburt den deutschen Paß. Hierfür muß mindestens ein Elternteil ein Daueraufenthaltsrecht besitzen und seit mindestens acht Jahren in Deutschland leben. Meist erhalten die Kinder zusätzlich den ausländischen Paß ihrer Eltern. Auf Drängen der Unionsparteien wurde jedoch zudem die Optionspflicht eingeführt, bei der sich die Kinder im Alter zwischen 18 und 23 Jahren für einen der Pässe entscheiden müssen.

Eine nun erschienene Studie des dem Bundesinnenministerium unterstehenden Bundesamts für Migration und Flüchtlinge stellt fest, daß 88 Prozent der Optionspflichtigen, die den Behörden bereits ihre Entscheidung mitteilten, für die deutsche Staatsangehörigkeit votierten. Dennoch wünschten sich Befragte, die sich bereits für den deutschen Paß entschieden, zu einem Drittel zugleich auch die Papiere des Heimatlandes ihrer Eltern. Deutlich höher ist dieser Anteil bei Befragten, die der Behörde noch nicht antworteten (64 Prozent). Etwa ein Drittel der Befragten (34,8 Prozent) findet es richtig, daß sie sich für einen Paß entscheiden mußten, 40,5 Prozent finden das falsch; mit „teils, teils“ antworteten 23,2 Prozent.

Als Gründe für die Entscheidung zum deutschen Paß nannten die Befragten als „wichtiges“ Motiv vor allem die Aussage „Weil ich alle Rechte eines Deutschen behalten will“ (86,4 Prozent) sowie „Weil ich die Vorteile eines EU-Bürgers behalten will“ (85,3 Prozent). Für 83,4 Prozent war es wichtig, daß sie schon immer in Deutschland lebten. 82,3 Prozent erhofften sich von dem Paß bessere berufliche Aussichten. Das Motiv „Weil ich mich als Deutscher fühle“ war für 53,3 Prozent der Befragten wichtig; 45,9 Prozent war das nicht wichtig.

Als nicht „belastend“ empfand eine Mehrheit von 60,7 Prozent der befragten Eingebürgerten das Einbürgerungsverfahren. Auch die Frage, ob die Anforderungen des Verfahrens wie Sprach- und Einbürgerungstests als „hoch“ empfunden wurden, negierte die Mehrheit (53,2 Prozent). Der Aussage „Ich werde in Deutschland als Fremder wahrgenommen“ stimmten nur 26 Prozent der Optionspflichtigen zu.

Aufgrund der hohen Zahl von Optionspflichtigen, die für den deutschen Paß votierten, sieht der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings (CDU), die Optionsregelung als bewährt an. Ziel der Union sei es, „daß sich so viele junge Doppelstaatler wie möglich für die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden“. Eine generelle doppelte Staatsbürgerschaft würde jedoch in die Irre führen, da „gespaltene Loyalitäten“ nicht zur Regel werden dürften. Die Studie zeige, „wie richtig es war, daß die Union bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 1999 den rot-grünen Irrweg des Multikulti gestoppt und der Vernunft zum Sieg verholfen hat“.

Kritik kam von der baden-württembergischen Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD). Sie sieht sich durch die Studie in der Ablehnung der Optionspflicht bestätigt. Denn bei den Befragten handle es sich um Kinder, für die ihre Eltern im Jahr 2000 aufgrund einer Übergangsregelung einen Einbürgerungsanspruch geltend machten, weshalb die hohe Zahl an Entscheidungen für den deutschen Paß „kein Wunder“ sei. Bei Kindern, die ab dem 1. Januar 2000 ohne Antrag zunächst den deutschen und ausländischen Paß besitzen, sei die Situation anders zu bewerten. Diese wurden jedoch, wie auch die Studie betont, nicht befragt, weil sie noch nicht verfahrensrelevant sind. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), kritisierte indessen, daß EU-Bürger der Optionsregelung unterliegen, obwohl bei diesen Mehrstaatlichkeit generell hingenommen werde. EU-Ausländer müßten daher von der Optionspflicht befreit werden.

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