© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/12 06. Juli 2012

Die Homogenität der EU-Staaten untergraben
Peter Sutherland: In einer Rede vor dem britischen Oberhaus legte der einflußreiche Migrations-Netzwerker seine Sicht der Dinge dar
Manfred Kleine-Hartlage

Am 20. Juni dieses Jahres fand im britischen Oberhaus eine Anhörung statt: Der Unterausschuß für EU-Angelegenheiten befragte Peter Sutherland zu Fragen der globalen Migration, und seine Antworten hatten es in sich, ließen in der Frage Einwanderung nach Europa keinen Stein auf dem anderem.

Sutherland ist nicht irgendwer. Der 66jährige Ire ist einer der einflußreichsten Männer weltweit: Der „Vater der Globalisierung“, wie er ob seiner führenden Rolle bei der Umwandlung des GATT zur WTO in den neunziger Jahren genannt wurde, war in den Achzigern der jüngste EU-Kommissar, zuständig für Wettbewerb, das heißt für die Aufhebung nationaler Regelungen, die als „Handelshemmnisse“ interpretiert werden konnten.

Er war und ist tätig unter anderem in den Vorständen von BP, ABB, Goldman Sachs International und der Royal Bank of Scotland – aus letzterer Position mußte er sich allerdings zurückziehen, als die Bank nur durch eine Intervention der britischen Regierung vor dem Bankrott gerettet werden konnte.

Der Spitzenfunktionär supranationaler Organisationen und umtriebige Geschäftsmann hilft zugleich, ideologisch gefestigte Eliten heranzubilden, unter anderem bei der London School of Economics und der spanischen Eliteschmiede IESE, und gehört diversen Denkfabriken an, so zum Beispiel der Business for New Europe, einer EU-freundlichen britischen Institution. Sutherland gehört dem Lenkungsausschuß der Bilderberg-Gruppe an und ist stellvertretender Vorsitzender des European Round Table of Industrialists. Mit einem Wort: Der Ire verkörpert das, was man „die globalen Eliten“ nennt: ein Mann, der in seiner Hand politische, wirtschaftliche und ideologische Macht auf globaler Ebene vereint, ein Netzwerker auf höchster Ebene, der dabei nur selten ins Licht des Medieninteresses rückt. 2006 wurde er zum UN-Sonderbeauftragten für Migration ernannt und hob in dieser Funktion das Global Forum on Migration and Development aus der Taufe, dem 160 Staaten angehören. In seiner Eigenschaft als Migrationsexperte wurde er nun von besagtem Ausschuß des britischen Oberhauses befragt und gab die passenden Antworten.

Ohne Umschweife forderte er die EU-Staaten auf, „ihr Bestes zu tun“, um die „Homogenität“ der europäischen Länder zu „untergraben“. Er erklärte dem Ausschuß, aus demographischen Gründen hätten Länder wie Deutschland gar keine Wahl, als multikulturell zu werden. Migration sei ein „entscheidender Wachstumsmotor“, „so schwierig es auch sein kann, dies den Bürgern zu erklären.“

Sutherland, der kurz zuvor erklärt hatte, die Entwicklung gehe „von Staaten, die sich Migranten aussuchen, hin zu Migranten, die sich Staaten aussuchen“, und die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf „globaler Ebene“ sei gefährdet, wenn sie sich nicht noch stärker als bisher für Masseneinwanderung öffne, forderte ein „globales Herangehen“ an das Thema, deklarierte umfassende Migrationsfreiheit zum Menschenrecht und hinterließ eine sprachlose Lordschaft.

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