© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/12 06. Juli 2012

Gefährliche, betörende Frauen
Hollywoods Schwarze Serie: Eine Ausstellung im Filmmuseum Frankfurt
Werner Olles

Die Schwarze Serie oder auch der amerikanische Film noir wird im allgemeinen von der Filmgeschichtsschreibung definiert als jene Reihe von Gangster-, Kriminal- und Detektiv-Filmen, die Anfang der 1940er bis in die fünfziger Jahre nach Romanen von Raymond Chandler, Dashiell Hammett, James M. Cain oder Cornell Woolrich entstand. Wenn man den Film Noir auch nicht als selbständiges Genre bezeichnen kann, so bedeutet er doch eine spezifische Periode der Filmgeschichte, die sich an die Gangsterfilme der dreißiger Jahre, an den französischen „Poetischen Realismus“, das Melodram und die frühen Kriminalfilme des deutschen Expressionismus etwa von Fritz Lang anlehnte.

Die meisten Filme jener Zeit, die die Welt der dunklen schlüpfrigen Großstadtstraßen, der zwielichtigen Bars, billigen Spielcasinos und schäbigen Detektivbüros, des Verbrechens und der Korruption porträtierten, die von desillusionierten Männern und eiskalten Frauen erzählten und von aus dem Krieg in eine unsicher und fremd gewordene Heimat zurückgekehrten pessimistischen Helden, deren untreue oder geldgierige Frauen sie nun vollends zerstörten, haben längst Kultstatus erreicht.

Das Deutsche Filmmuseum zeigt nun in seiner Sonderausstellung „Film noir“ zahlreiche Exponate wie Original-Filmplakate und Drehbücher, Kinoaushangfotos sowie einen achtzig Minuten langen Zusammenschnitt aus neunzig Filmen auf sechs großen Leinwänden. Auf kinogerechten Sofas erlebt der Zuschauer die Entwicklung jener speziellen Filmästhetik und jenes besonderen Stils, der die Schwarze Serie mit ihren subtilen Qualitäten des Tons, der Atmosphäre und des düsteren Ambientes so ungeheuer populär machte. Es ist ein Gewirr von Erfahrungen und Eindrücken in einer Welt voller Ungereimtheiten und voller Ungewißheit, die den Film noir von seinen Vorläufern unterscheidet und dabei mit einer rapiden Zunahme von Szenen mit manifester Gewalt und einer radikalen Transformation der Rolle des klassischen Helden einhergeht.

Am Beginn der Schwarzen Serie stand John Hustons Verfilmung von Da-shiell Hammetts „The Maltese Falcon“ (Die Spur des Falken, 1941), die Geschichte einer letztendlich vergeblichen Jagd nach einer kostbaren Statue, in die Humphrey Bogart als geschundener Privatdetektiv Sam Spade verwickelt wird. Doch kommt er im Gegensatz zu den meisten anderen Film-noir-Helden noch relativ glimpflich davon. In Robert Siodmaks Thrillern „The Killers“ (Die Killer, 1944) und „Criss Cross“ (Gewagtes Alibi, 1948) gerät Burt Lancaster in die Fänge der schönen Gangsterliebchen Ava Gardner und Yvonne de Carlo und bezahlt dafür mit seinem Leben. In Otto Premingers „Ange Face“ (Engelsgesicht, 1952) fällt Robert Mitchum auf die ebenso liebreizende wie von Grund auf verdorbene Jean Simmons herein, und John Garfield läßt sich in Tay Garnetts „The Postman always rings twice“ (Im Netz der Leidenschaften, 1946) von der betörenden Lana Turner zum Mord an ihrem Ehemann anstiften.

Auch Fred MacMurray wird in Billy Wilders „Double Indemnity“ (Frau ohne Gewissen, 1944) von der durchtriebenen Barbara Stanwyck buchstäblich aufs Kreuz gelegt und läßt sich von ihr zu einem Verbrechen überreden. Da geht es Alan Ladd als resignierter Kriegsheimkehrer, der im Verdacht steht, seine alkoholsüchtige Ehefrau ermordet zu haben, in George Marshalls „The Blue Dahlia“ (Die blaue Dahlie, 1946) noch vergleichsweise gut, denn ihm winkt zum Schluß immerhin die Huld der blonden Veronica Lake.

Diesen und anderen kleinen Meisterwerken der Schwarzen Serie ist die Ausstellung gewidmet. Zumeist billig poduziertes Low-Budget-Kino, gehören sie heute dennoch zu den Klassikern des Film noir: Kalt, düster und melodramatisch, fast philosophische Essays über die Liebe, das Verbrechen und das unaufhaltsame Scheitern ihrer Protagonisten. Angesiedelt im Halb- und Unterweltmilieu, erzählen sie von den Sehnsüchten und Träumen ihrer seelisch angeknacksten Helden, von deren Einsamkeit und von der traumatisierenden Erkenntnis, daß, während sie weit weg von zu Hause ihre Haut zu Markte trugen, das Böse in Gestalt von Korruption und nackter Gewalt sich daheim längst bequem breitgemacht hat.

Die Ausstellung „Film noir“ ist bis zum 14. Oktober im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, Frankfurt am Main, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, zu sehen. Telefon: 069 / 9 61 22 02 20

www.deutsches-filminstitut.de

Foto: Lauren Bacall und Humphrey Bogart in „The Big Sleep“ (Tote schlafen fest, 1946): Melodramatisch

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