© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/12 13. Juli 2012

Zum Wohle des Kindes
Familienpolitik: Die von der Bundesregierung beschlossene Neuregelung des Sorgerechts stärkt die Rechte unverheirateter Väter
Ekkehard Schultz

Dient es dem Wohl des Kindes? Dies ist die zentrale Frage bei der Neuregelung des Sorgerechts für unverheiratete Väter, die das Kabinett in der vergangenen Woche beschlossen hat (Kommentar, Seite 2). Anlaß dafür war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Dezember 2009. Dieser hatte auf die Klage eines Vaters aus Pulheim hin kritisiert, daß das bestehende deutsche Sorgerecht unverheiratete Väter gegenüber denjenigen Vätern benachteilige, die mit der Kindesmutter verheiratet waren. Dies verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Tatsächlich galt bislang in Deutschland die Regelung, daß unverheiratete Väter im Regelfall keine Möglichkeit hatten, ein gemeinsames Sorgerecht mit der Mutter zu erhalten, sofern diese sich dagegen aussprach. Dabei konnte die Ablehnung in allgemeiner Form erfolgen, einer konkreten Begründung oder gar eines Nachweises bedurfte es nicht. Die Folge war, daß die Hälfte aller unverheirateten Väter kein Sorgerecht erhielt oder grundsätzlich darauf verzichtete. Bei zuvor verheirateten Eltern gingen die Gerichte dagegen bereits seit langem davon aus, daß auch nach einer Trennung des Paares eine Beibehaltung des Kontaktes zur leiblichen Mutter und zum Vater grundsätzlich dem Wohl des Kindes diene – auch in den ersten Lebensjahren. In diesem Fall mußte der Elternteil, der sich dieser Meinung nicht anschloß, nachweisbare und konkrete Gründe dafür anführen, die gegen ein gemeinsames Sorgerecht sprachen.   

Nunmehr wird durch die Neuregelung das Recht der unverheirateten Väter der rechtlichen Situation der verheirateten Väter angeglichen. Danach können ledige Väter auch dann die Mitsorge für ein gemeinsames Kind beantragen, wenn die Mutter dagegen ist. Der Mann kann dann das Jugendamt einschalten, um sich mit der Frau über das Sorgerecht zu einigen. Grundsätzlich muß die Mutter im sogenannten „beschleunigten Verfahren“ innerhalb von sechs Wochen nach der Geburt des Kindes reagieren, sonst bekommen beide das gemeinsame Sorgerecht. Darüber hinaus gelten einfache Argumente, wonach sie keinen Kontakt zum Kindsvater wünscht, bei gerichtlichen Entscheidungen nicht mehr. Nur triftige Gründe, zum Beispiel Gewalttätigkeit oder schwerer Alkohol- oder Drogenmißbrauch, verwehren dem Vater dann noch das gemeinsame Sorgerecht.

Für Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) trägt diese Reform des Sorgerechts vor allem dem „neuen gesellschaftlichen Leitbild“ Rechnung. Die „Formen des Zusammenlebens von Familien“ hätten sich inzwischen deutlich geändert. So habe sich die Zahl der verheirateten Paare in den vergangenen Jahrzehnten deutlich reduziert. Die zwangsläufige Konsequenz daraus sei, daß inzwischen bereits jedes dritte Kind aus einer Beziehung von ledigen Eltern stammt, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

Gleichwohl sind die Änderungen nicht unumstritten. Die CSU kritisiert, daß das Wohl des Kindes zum Teil einseitig und „lebensfremd“ definiert würde. So könne das Kindeswohl durchaus davon beeinträchtigt sein, wenn es bei einem gemeinsamen Sorgerecht zu ständigen Konflikten zwischen den einstigen Partnern komme, egal ob es dem Schulbesuch oder den Besuch eines Hortes betreffe. Herrscht Uneinigkeit, muß dann unter Umständen regelmäßig das Familiengericht eingreifen.

Gerade dieser Punkt stößt bei der SPD auf Bedenken. Darüber hinaus wies der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, darauf hin, daß im beschleunigten Verfahren die Entscheidung allein dem Gericht überlassen werden könne, sofern die Mutter dem Antrag nicht oder nicht rechtzeitig widerspricht. Auch die Jugendämter müßten dann nicht mehr gefragt werden. Dies führe jedoch „den Gedanken, daß die Eltern beim Sorgerecht immer ein Mitspracherecht haben müßten, ad absurdum“, sagte Lischka.

Dagegen lobte die familienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katja Dörner, den schwarz-gelben Entwurf ausdrücklich. Die Regierung setze damit nur das um, was die Grünen bereits im Herbst 2010 vorgeschlagen hätten. Generell gäbe es „keinerlei Grund mehr, verheiratete und unverheiratete Eltern beim Sorgerecht per se unterschiedlich zu behandeln“.

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