© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/12 13. Juli 2012

Meldungen

Anthropozän: Beginn einer neuen Kultur

MÜNCHEN. Für 2014/15 kündigt das Deutsche Museum (DM) zusammen mit dem Rachel Carson Center (RCC) eine monumentale Sonderausstellung über das „Anthropozän“ an. Bereits im 19. Jahrhundert prägte der italienische Geowissenschaftler Antonio Stoppani diesen Begriff, doch ins öffentliche Bewußtsein hob ihn vor kurzen erst der Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul J. Crutzen. Anthropozän steht für ein neues, mit der Industrialisierung beginnendes Erdzeitalter, das sich an das 250.000 Jahre währende Holozän, die klimatisch stabile Zwischeneiszeit, anschließt. In 250 Jahren haben sich die vom Menschen initiierten Veränderungen des Planeten schon geologisch sichtbar niedergeschlagen und sind von ausreichender langfristiger Natur, um sie von vergangenen Erdzeitaltern abzuheben. Allein die Verweildauer des von Menschen seit 1850 in die Atmosphäre eingebrachten Kohlendioxids ist mit 10.000 Jahren zu veranschlagen. Die Münchner Ausstellung soll den Menschen aber nicht nur als Zerstörer, sondern auch als planetaren Gestalter zeigen. Das DM und das nach der Ikone der US-Umweltbewegung benannte Münchener RCC wollen damit ein neues Bewußtsein anstoßen von der „Menschen-Erde“, die als hochkomplexes Gesamtsystem von „Natur-Kultur-Technik-Gesellschaft“ präsentiert wird, um den Ausstellungsbesuchern Horizonte für ihre persönliche Verantwortung für Umweltveränderungen und für ihre „Lebensstilwahl“ zu eröffnen (DM-Magazin 1/2012). (dg)

 

Bologna-Prozeß senkt das geistige Niveau

HUSUM. In die deutsche Universitätsgeschichte ist Marius Reiser 2009 eingegangen. Der Professor für Neues Testament an der katholisch-theologischen Fakultät der Uni Mainz trennte sich damals mit 55 Jahren von Lehrstuhl und Amt. Er tat dies aus Protest gegen die „Bologna-Reform“, und er blieb unter Zehntausenden von Hochschullehrern der einzige, der diese Konsequenz zog. In seiner Rückschau vor dem Arbeitskreis Tübinger Verbindungen bedauert er den Schritt nicht (Die Schwarzburg, 1/2012). Vielmehr seien schlimmste Befürchtungen heute eingetroffen. Das universitäre Alternativmodell der Bologna-Planer, das dem angelsächsischen Utilitarismus folge und den Nutzwert als höchsten Wert akademischer Ausbildung proklamiere, sei fest installiert und gehorche marktorientierten Vorgaben. Allgemeinbildung, geistige Beweglichkeit und kritische Kompetenz seien auf der Strecke geblieben. Für Reiser sinkt mit dem Verlust dieser Fähigkeiten „das geistige Niveau einer Gesellschaft“. Der Selbstwert von „Geistesbildung“ sei schwerlich zu überschätzen – sie mache Freude und erfülle die Seele wie die Religion. (jr)

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