© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/12 13. Juli 2012

Blick in die Medien
Enthüllungen: Wer macht denn sowas?
Ronald Gläser

Die Zwickauer Terrorzelle läßt uns in die Abgründe menschlicher Boshaftigkeit schauen. Zu den Morden kommen immer mehr Details über die Verstrickung von Geheimdiensten hinzu, was bei kritischen Journalisten eigentlich alle Alarmglocken läuten lassen müßte.

Und das tun sie auch. Beispielsweise bei Stefan Aust, einem der wohl profiliertesten Männer seines Standes. Der Ex-Spiegel-Chefredakteur hat in der Zeit den Fall des hessischen Verfassungsschützers Andreas T. untersucht und kommt aufgrund seiner Recherche zu dem Ergebnis, daß T., der bei dem letzten Mord unzweifelhaft anwesend war, vielleicht selbst der Täter war.

Harter Tobak. Auf der anderen Seite: Hans Leyendecker, dem wie keinem anderen in Deutschland das Attribut Investigativjournalist anhaftet. Leyendecker schreibt in der SZ, T. sei „einfach zur falschen Zeit am falschen Ort“ gewesen, für ihn gelte die Unschuldsvermutung. Und weiter: „Was ist das für eine sonderbare Welt, in der die Beamten der Sicherheitsbehörden die wahren Verdächtigen sind?“

Eine bemerkenswerte Frage aus seinem Munde. Denn Leyendeckers zweifelhafter Ruhm als Enthüllungsexperte beruht nicht zuletzt auf seiner längst widerlegten Story über Bad Kleinen, wo sich 1993 ein RAF-Terrorist selbst richtete. Leyendecker behauptete damals, Beweise dafür zu haben, daß Polizisten den wehrlosen Mann erschossen hätten. Der daraus resultierende Skandal hatte unter anderem die Entlassung von Generalbundesanwalt Alexander von Stahl zur Folge.

Merke: Als es um RAF-Terror ging, ließ Leyendecker seine Phantasie spielen, beschuldigte Polizisten. Jetzt, da es um NSU-Terroristen geht, nimmt er staatliche Agenten auch bei begründetem Verdacht in Schutz und gibt sich staatstragend. Fazit: Die konsequente Haltung von Stefan Aust, der sich ohne Ansehen der Person immer kritisch mit der Rolle von Geheimdiensten beschäftigt, ist die weitaus glaubwürdigere.

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