© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/12 13. Juli 2012

Der Flaneur
Unterwegs mit dem Kinde
Josef Gottfried

Langsam schiebe ich den Kinderwagen über den Feldweg nach Podemus, der Pfad führt über eine Anhöhe, hinter mir der Waldrand, dessen kühlendem Schatten wir gerade entwichen sind.

Vor mir ein Weiher, ansonsten weiter Blick über die Felder, am Ende des Weges stehen Häuser, die Ausläufer eines Dorfes, das schon vor dem großen Krieg so schläfrig lag wie jetzt. Beinahe würde ich romantisch, wenn nicht linker Hand, weit hinten, die Autobahn in die Tschechei zu ahnen wäre.

Ganz lange schiebe ich schon so, weißt du wieviel Mücklein tanzen? In der hellen Sonnenglut? Der schaukelnde Wagen hat das Kind beruhigt, immer wieder taste ich nach ihrem Nacken, ob sie schwitzt, ob sie lebt, so ruhig ist es, so heiß knallt die Sonne. So wenig weiß ich davon – doch wir werden uns schon finden.

Knapp 60 Minuten Fußweg von hier surrt der Rechner mit Internetanschluß, er ist immer noch an. Auf ihm sind die Nachrichten zu lesen, die vieles in Frage stellen, stündlich kommen mehr, auch wenn man sich wehrt. Eine Bremse versucht auf der Daunendecke zu landen, ich schnippe sie weg. Wenn ich sie nicht lese, die Nachrichten, wenn ich nicht auf mein Smartphone starre, dann ist es gut.

So schiebe ich dann weiter, durch das Dorf, über die Straße, in die Stadt, weißt du wieviel Wolken ziehen? Weithin über alle Welt? Dort setze ich mich auf eine Bank, nur zur Pause, als Zwischenstation, das Kind erwacht und steht auf. Ich will es noch halten, aber es löst sich aus meinem Griff, vor mir rauschen Dinge, mein Blick kann kaum noch folgen, ich lege mich auf die Bank und blicke in die Sonne, die immer noch brennt.

Ein Schatten schiebt sich dazwischen, es ist ihr Gesicht, sie ist erwachsen, ich schaue sie mit großen Augen an. „Es ist schon in Ordnung“, sagt sie, ich weiß nicht, ob sie lügt, dann blickt sie nach vorn.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen