© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Längst ausgehöhlt
Asyl: Die jüngste Rechtsprechung öffnet dem Mißbrauch weiter Tür und Tor
Thorsten Hinz

Eine staatenlose palästinensische Familie, die über Italien nach Deutschland eingereist war und hier um Asyl nachgesucht hat, darf trotz anderslautender internationaler Verträge nicht zurückgeschickt werden. Das hat das Verwaltungsgericht in Stuttgart entschieden. In Italien bestünde „aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“. Ähnliche Urteile waren bereits von anderen Gerichten ergangen.

Damit wird Italien nicht nur sein Status als sicheres Drittland abgesprochen, sondern auch der als Kernland der Europäischen Union und Vertragspartner Deutschlands in Frage gestellt. Beide Länder sind durch viele Abkommen und Vereinbarungen miteinander verbunden, darunter das Schengen-Abkommen, das die unkontrollierte Reisefreiheit ermöglicht. Ergänzt wurde Schengen durch das Dublin-II-Abkommen von 2003, wonach Asylbewerber ihre Anträge in dem EU-Land stellen müssen, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten haben.

Das hat rechtslogische und pragmatische Gründe: Da die EU-Staaten sich auf vergleichbare rechtliche Standards festgelegt haben, ist ein innereuropäischer Antrags- und Klagetourismus unnötig. Sein politischer Zweck bestünde nur darin, die Staaten gegeneinander auszuspielen. Zweitens sollten die innereuropäischen Wanderungsbewegungen von Asylanten beendet werden. Sie richteten sich dorthin, wo die umfangreichsten Sozialleistungen lockten. Vor allem Deutschland stellte eine globale Verlockung dar. Das wiederum belastete auch die Nachbarn, die als Erstaufnahme- und Durchgangsstationen dienten. Die Festlegungen von Dublin waren um so dringlicher, als das Recht auf politisches Asyl von Wirtschaftsflüchtlingen gezielt instrumentalisiert wird.

Das Stuttgarter Gericht hat festgelegt, daß die rechtliche, politische, moralische und zivilisatorische Gemeinsamkeit, die für die europäische Asylpolitik vorausgesetzt wurde, gar nicht existiert. Die Italiener mögen froh sein, daß Deutschland ihnen künftig viele Lasten abnehmen wird, aber welche Beleidigung liegt darin, daß man ihnen die zivilisatorischen Mindeststandards abspricht. Erneut geht der häßliche Deutsche um – in Richterrobe und unter der Maske des Gutmenschen. Da kaum damit zu rechnen ist, daß die Bundesregierung die Grenzkontrollen erneuert, öffnen sich zusätzliche Schleusen, durch die Flüchtlinge einströmen. Für steigende Zahlen sorgen der Arabische Frühling, die Bürgerkriege in Sudan und Mali und ganz allgemein die Armutswanderung aus der dritten Welt.

Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, die darauf abzielte, die Geldleistungen für Asylbewerber auf Hartz-IV-Niveau anzuheben, dürfte im Ergebnis die Anreize ebenfalls vergrößern. Die Klage ist ein Skandal! Ein älterer Hartz-IV-Empfänger, der auf eine jahrzehntelange Arbeitsbiographie zurückblickt, der mit Steuern und Beiträgen die Sozialkassen gefüllt hat, um dann unverschuldet in Dauerarbeitslosigkeit zu geraten, muß sich verhöhnt fühlen, wenn Interessengruppen, Politiker und Juristen Deutschland zum Weltsozialamt bestimmen und sein Arbeitsertrag voraussetzungslos an Fremde weitergereicht wird. Es ist schlichtweg asozial, wenn Grünen-Politiker behaupten, es dürfe keinen Unterschied zwischen Deutschen und Nichtdeutschen geben: nicht minder asozial als das Treiben der internationalen Bankoligarchen, die die Folgen ihrer Asozialität gleichfalls zu sozialisieren versuchen!

Die ausgreifende Asozialität als Form des Politischen ist kein Zufall, sondern die Konsequenz einer stringenten Entwicklung. Als Argument werden die Menschenrechte oder Menschenwürde herangezogen, mit der die Präambel des Grundgesetzes anhebt. Das Dokument, das von seinen Schöpfern als Basis gedacht war, auf der die Deutschen ihre Selbstbestimmung wiedererlangen, wird in die Verpflichtung umgedeutet, sich faktischer Fremdbestimmung zu unterwerfen.

Eine Präambel hat eine deklaratorische Funktion, sie drückt aus, unter welchem Leitstern die Verfassungsartikel stehen. Das emphatische Bekenntnis zur „Würde des Menschen“ weckt Vertrauen und Zustimmung. Umgekehrt wäre ein Staat, welcher die Menschenrechte oder die Würde des Menschen offen bestreitet, zum Fürchten. Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen einer grundsätzlichen Willenserklärung und einem Anspruch auf deutsche Sozialfürsorge, der von potentiell jedem Erdenbürger einklagbar ist; zwischen universellen Menschen- und konkreten Bürgerrechten in Deutschland. Die Präambel bezieht sich eindeutig auf das deutsche Volk. Die richtig gestellte Frage lautet also, inwieweit die praktizierte Asylpolitik die Menschenrechte der indigenen Deutschen tangiert und verletzt.

Wer den Vorrang deutschen Selbstinteresses bekundet, wird jedoch in das Zwielicht nationalsozialistischen Gedankenguts gestellt. Für die hegemonialen Eine-Welt-Ideologen im Ausland und ihre inländischen Helfer – allen voran die Grünen – soll Deutschland politisch, ökonomisch, als Sozial- und Rechtsstaat zum Eigentum einer eingebildeten Weltgemeinschaft werden. Die Asylfrage ist Experimentier- und Kampffeld sowie ein europäisches Testgelände, auf dem man diesem Ziel näher zu kommen gedenkt. Der einzelne Asylant ist nur eine Schachfigur im großen Spiel.

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