© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Debatte um das Betreuungsgeld
Wir werden ein Kollektiv
Klaus Hornung

Der Streit um das Betreuungsgeld eskaliert zu einem breiten Konflikt innerhalb der Gesellschaft, den die veröffentlichte Meinung der Medien wieder einmal nach Vermögen anheizt.

Und erneut zeigt die schwarz-gelbe Koalition, wie unsicher sie in das letzte Jahr ihrer Wahlperiode geht. Einmal mehr befindet sich Deutschland auf dem Weg in die „DDR light“. Von den großen Ländern Europas sind wir dasjenige, das inzwischen am weitesten nach links gerückt ist. Der Kampf gegen das Betreuungsgeld richtet sich gegen das angeblich überholte sogenannte „konservative Familienbild“.

Einmal mehr zeigt sich, daß unsere Verfassungswirklichkeit hauptsächlich von einem faktischen Bündnis zwischen marktliberalen „Chicago Boys“ und linken Jakobinern bestimmt wird; geprägt von einer seltsamen Mischung aus ungezügelten finanzkapitalistischen Profitinteressen einerseits und linker (scheinbarer) Fortschrittsideologie andererseits. Da sich heutzutage Familien mit nur einem Verdiener kaum mehr ernähren können, ist der Ruf nach Kitas und Ganztagsbetreuung immer lauter geworden, und nicht zuletzt die Mehrheit der politischen Klasse verspricht sich von deren flächendeckendem Angebot eine Verbesserung ihrer Wahlchancen.

Das geschieht trotz der entgegengesetzten Erfahrung und des besseren Wissens der Fachwelt, die die stabile Personbildung der Kleinst- und Kleinkinder durch Mutter- und Elternbindung überzeugend nachweist und zeigt, daß die Entscheidung dagegen den Weg zu einem tiefgreifenden anthropologischen Wandel öffnet. Einem Wandel hin zum angepaßten, konformistischen Menschen, zum betreuten Menschen im sozialistischen Wohlfahrts- und Versorgungsstaat.

Der ist freilich schon längst das Leit- und Idealbild großer Teile der Heilslehrer in der Politik, der Gesinnungsintellektuellen und medialen Sinnproduzenten in unserer säkularisierten Gesellschaft, über die der Soziologe Helmut Schelsky einst Auskunft gab.

Heute können die Glaubensanhänger von Karl Marx bis Erich Honecker zufrieden ausrufen: „Wir haben doch gesiegt!“. Meine Großmutter sagte freilich schon: „Werden denn die Menschen nie gescheit?“

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaft an der Universität Hohenheim.

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