© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Riskantes Spiel mit dem Feuer
Sicherheitspolitik: Mit der Verschärfung der Sanktionen im Atomstreit setzen die USA den Iran unter Druck und blicken zugleich nach Syrien
Günther Deschner

Nachdem im Atomstreit mit Teheran bereits zum 1. Juli ein Ölembargo der Europäischen Union gegen Iran in Kraft getreten war, haben die USA nun weitere Sanktionen gegen das Land verhängt. Das US-Finanzministerium kündigte Restriktionen gegen mindestens elf Unternehmen an, die Geschäftskontakte zu iranischen Ministerien, der Revolutionsgarde und einer staatlichen Reederei unterhalten.

Alle Vermögenswerte der Unternehmen und Personen im Zugriffsbereich der US-Justiz würden eingefroren, sagte US-Finanzstaatssekretär David Cohen, „und wir werden den Druck weiter erhöhen, solange sich der Iran weigert, auf die wohlbegründeten Sorgen der internationalen Gemeinschaft einzugehen“. Zusätzlich würden Schritte unternommen, um Firmen und Banken zu identifizieren, die dabei hälfen, bereits bestehende Sanktionen zu umgehen. Es wurden 57 Schiffe der staatlichen iranischen Schiffahrtsgesellschaft benannt, die nach ihrer Plazierung auf der Sanktionsliste den Namen oder die Flagge gewechselt hatten. Auch „Tarnfirmen“ in Hongkong, der Schweiz und Malaysia würden nun ins Visier genommen.

Der Iran will als Reaktion auf die sich zuspitzenden Sanktionen im Atomstreit mit dem Westen nun ebenfalls seine Militärpräsenz in internationalen Gewässern erhöhen. Die jüngsten Manöver der iranischen Flotte im Persischen Golf, die Flugtests von Mittelstreckenraketen und ein wenig rhetorisches Säbelrasseln sollten und sollen offensichtlich einen Abschreckungseffekt erzielen. Die Führung in Teheran und ihre Militärs sind aber kaum so verrückt, einen Krieg mit Amerika zu beginnen.

Haben doch die USA bereits ihre 5. Flotte in Bahrain stationiert. Dazu kommen US-Luftwaffenbasen in Saudi-Arabien und anderen Scheichtümern. Im Meer von Oman kreuzen Flugzeugträger der US-Navy. Zudem hatten die USA parallel zur Ausweitung der Sanktionen bereits Anfang Juli ihre militärische Präsenz im Golf noch weiter erhöht, wie die Los Angeles Times berichtete. Demnach wurden weitere Kampfflugzeuge und Minenräumeinheiten in die Region verlegt, die mit modernsten ferngesteuerten Geräten vom Typ „Sea Fox“ die gefürchteten iranischen Unterwasserminen ausfindig machen und zerstören könnten.

Mit seinen wenigen großen und veralteten Kriegsschiffen (fünf Fregatten, drei Korvetten) wäre der Iran für die US-Marine also kein Gegner; allerdings sind im iranischen Inventar mehr als 200 kleine und größere Schnellboote mit Raketenbewaffnung sowie 26 größtenteils sehr kleine U-Boote, die in den beengten Gewässern weit schwereren Kriegsschiffen gefährlich werden können. Als sehr effektiv könnten sich im Konfliktfall auch die zahlreichen an Land stationierten Seezielraketen erweisen.

Ein „Entenschießen“ à la Irak wäre ein amerikanisch-iranischer Seekrieg also mutmaßlich nicht. Auch die Amerikaner könnten schwere Verluste erleiden, doch das Endergebnis stünde schon fest, noch ehe ein erster Schuß gefallen wäre.

Großsprecherische Tiraden iranischer Militärs und Politiker (meist aus der zweiten Reihe), wie sie beim Hormuz-Konflikt Ende letzten Jahres zu hören waren, sind deswegen auch bei der jetzigen Krise bislang ausgeblieben. Der Preis scheint zu hoch.

Wohl in realistischer Einschätzung des Stärkeverhältnisses „zu Wasser“ bemühte sich der Oberbefehlshaber der iranischen Marine, Konteradmiral Habibollah Sayyari, am Montag dieser Woche am Rande einer Konferenz in Teheran um einen unaufgeregten und deeskalierenden Ton: „Die Golfregion“, sagte er, „wird durch die militärische Macht der Islamischen Republik Iran eher Sicherheit als Unsicherheit erleben.“

Der iranische Religionsführer und starke Mann des Staates, Ali Khamenei, ist nach Informationen aus seinem Umkreis ohnehin fest davon überzeugt, daß es den USA und ihren Verbündeten in diesem Konflikt nur vordergründig um das Atomprogramm geht, sondern um einen Regimewechsel nach dem Muster des Iraks, Libyens und demnächst Syriens.

Der renommierte Berliner Nahostexperte Michael Lüders hat das in seiner gerade erschienenen Untersuchung „Iran: Der falsche Krieg – Wie der Westen seine Zukunft verspielt“ einleuchtend beschrieben: „Es geht vor allem darum, einen geostrategischen Rivalen auszuschalten. Neben Syrien ist der Iran das letzte Land im weiten Feld zwischen Marokko und Indonesien, das sich von der Politik der USA nicht in die Pflicht nehmen läßt.“

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