© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Zeitschriftenkritik: Emma
Wenn Frauen ihre Rüstung ablegen
Ellen Kositza

Warum Emma lesen, ohne Feministin zu sein? Die Zeitschrift dient nicht als Wegweiser (falsche Richtung), nicht als Seismograph (zu subjektiv); sie liest sich als Offenbarung von prophetischer Kraft. Was Alice Schwarzer und ihre Mittäterinnen schreiben, wünschen und fordern, das steht bevor. Fast jede hier in vergangenen Jahrzehnten vertretene Minderheitenmeinung wurde früher oder später Mainstream.

Die aktuelle Sommerausgabe hat keine „starke Frau“ auf dem Titel, sondern ein großes Herz: „Ist die Liebe noch zu retten?“ Die Antwort lautet: Nein – allenfalls in Sonderformen. Die moderne Frau, so Schwarzer im Editorial, sei ökonomisch unabhängig und rechtlich gleichgestellt. Die Herrschaft der Männer wirke weiter, und zwar in subtiler und gefährlicherer Form: der „emotionalen Dominanz“; eine Fessel, die frau selbst mitschnüre. „Wir tun zwar öfter so, als ginge es uns um Sex, in Wahrheit sehnen wir uns nach Liebe. Und die Männer? Die spüren diese Bedürftigkeit. Was sie überlegen macht.“ Um so schlimmer, „wenn Kinder da sind: Dann werden Frauen noch abhängiger und Männer noch nestflüchtiger.“ Die „sexuelle Marktwirtschaft“ (Roy Baumeister) ist passé; heute müssen sich Männer auf weibliche Karrierepläne und Kümmerwünsche – Haushalt und Kinder – einstellen. Daher flüchten sie, daher sei „das Ausweichmodell Osteuropäerin oder Asiatin hierzulande so beliebt: Dort gab es noch keine Frauenbewegung und herrscht ökonomische Not, die die Frauen zu Kompromissen zwingt.“

Ein Gastautor beschreibt aus eigener Erfahrung, wie einfach es ist, als mittelmäßig aussehender Mann mit mittelmäßigem Broterwerb in der Ukraine einen Heiratsantrag zu bekommen: „Was zählt, ist der Charakter“, fügte die schöne Kellnerin hinzu. Daß Liebe keine Privatsache, sondern ein Politikum sei, hatten Schwarzers Kampfgefährtinnen (eingeführt wird hier der Markenbegriff der „Neuen Frauenbewegung“) schon vor über 40 Jahren behauptet. Die blutjunge Feministin Shulamith Firestone hatte die „sexuelle Befreiung“ schon damals als Irrweg und „Verbesserung“ allein für den Mann gebrandmarkt: Durch das Lob des „scharfen Klasseweibs“ und das neue Vokabular der „verklemmten Ziege“, die sich abwartend ziert, wurden „Frauen verleitet, ihre Rüstung abzulegen“ und das „Reservoir an verfügbaren Frauen zu vergrößern“.

Die zweigeschlechtliche Beziehung „auf Augenhöhe“ sei eine Utopie, findet erstens die populäre und teils scharf analysierende Soziologin Eva Illouz, die für eine Trennung der Sphären romantische Liebe/Fortpflanzung plädiert, und zweitens ihre deutsche Kollegin Cornelia Koppetsch, die feststellt, daß die moderne Frau mit ihren emanzipatorischen Selbsttäuschungen sogar der traditionell gebundenen Frau unterliegt. Letztere sei durch Konventionen und ein weniger geblähtes Selbstwertgefühl geschützt. Die beste Prognose jedoch haben lesbische Paare: „Saskia“ und „Anke“ (die kundige Leserin erahnt die Klarnamen dahinter) besprechen die Vorteile der Liebe unter Frauen.

Kontakt: Emma Frauenverlags GmbH, Bayenturm, 50678 Köln. Das Einzelheft kostet 9,80 Euro, ein Jahresabo für vier Ausgaben 39 Euro.
www.emma.de

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