© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

CD: Beach Boys
Gute Laune
Sebastian Hennig

Eine brandaktuelle Platte der gealterten, gleichwohl cool gebliebenen Beach Boys aus Kalifornien ist herausgekommen: ein Schlußstein, mit dem sie eine fünfzigjährige Erfolgsgeschichte abrunden. Die Strandjungs waren nicht nur eine der erfolgreichsten amerikanischen Popgruppen, sondern wahrscheinlich innovativer, eigentümlicher und klanglich anspruchsvoller als die Beatles oder die Rolling Stones.

Zumeist recht flache Verse stehen in einer frappierenden Spannung zu dem artistischen vierstimmigen Vokalsatz mit Falsett- und Unisono-Partien und seinen überraschenden Umschwüngen. Nun gibt es eine kurzfristige Wiedervereinigung der Gruppe. Nachdem man sich lange vor und neben Gericht um die wahre Lehre gestritten hat, über Autorenrechte und Ausrichtung der Band-Ästhetik, unterdessen zwei der Brüder verstorben sind, war zuletzt Brian Wilson die Qualität der neuen Platte „That’s why god made the radio“ sogar der Abbruch seiner Solotournee wert.

Eine bedächtige kurze Präambel „Think about the days“ eröffnet das Album. Acapella melodiös und sphärisch entspannt, wird der Hörer eingestimmt. Ein Klavier klimpert hinein und wird von einem Wind aus Stimmen gezaust. Danach kommen sie gleich zur Sache und erklären, warum Gott das Radio gemacht hat. Das ist eine weiße Popmusik, ohne Soul und Blues, dafür voller Höflichkeit und Geist. Und sie federt noch wie einst. Wenn die Jungs jemals jung waren, so haben sie es öffentlich niemals zur Schau gestellt. Die Sänger in den kurzärmligen Hemden waren immer schon auf sehr abgeklärte Weise fröhlich, darum können sie nicht so fatal altern wie manche Rollende Steine unter den Generationsgenossen.

Nichts Vulgäres oder Zotiges war an ihrer Musik zu finden, weder in Text noch Ton. Aus der Trinität von Geschlechtlichkeit, Rauschmitteln und Rock’n’Roll, war höchstens letzterer mal ein Thema. Auf dieser Platte steht er im Mittelpunkt. Darum also hat Gott den Rundfunkempfänger geschaffen: damit wir Rock’n’Roll zu hören bekommen und uns dabei verlieben. Rauschen jedoch darf allein das Meer am „Pacific Coast Highway“. Das ist eine klimatisierende CD für die Hifi-Anlage in der Fahrgastzelle: Auch im nördlichen Nieselregen streift einem bei geschlossenem Fenster der Wind der pazifischen Küste durchs Haar. Frühlingsferien werden besungen, und da sind sogar wörtlich wieder die „good vibrations“, denn die reimen sich nun einmal auf „spring vacation“. Da ist dann die instrumentale Soße etwas zu sehr angedickt, zuviel tontechnische Aufbereitung erstickt das Lied, welches lässiger daherkommen sollte.

Der beste Titel ist „Isn’t it time“. Ganz beschwingt auf die gewohnte Art mit den Wiederholungen, An- und Abschwingen der vitalen Stimmen. Dazu ein klappernder, schnalzender Rhythmus: federnde Tanzmusik. Soviel Positives ohne Heuchelei, Heiterkeit und Freundlichkeit ohne Anbiederung erreicht die Zuhörer gewiß. Gute Laune ist ja eine der schwierigsten Kunstgattungen. Von den fünf alten Jungs wird sie virtuos beherrscht.

Die Platte endet mit zartem Gebimmel zu Meeresrauschen. Die guten Schwingungen treffen auf die Wellen des Stillen Ozeans, und diese Interferenz läßt die Töne in große ewige Ruhe ausströmen.

Beach Boys That’s why god made the radio Capitol Records (EMI), 2012 www.XYZ.de

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