© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Neue Interpretationen zu Karl May: „Weltanschauungsschriftsteller“
Refl exion über Interkulturalität
(wk)

Anläßlich der 100. Wiederkehr des Todestages von Karl May sichtet der Karlsruher Historiker Wolfgang Michalka im Historisch-Politischen Buch (2/2012) die aktuelle Forschungsliteratur über den meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache (mehr als 100 Millionen verkaufte Bücher). Dabei stellt er fest, daß neuerdings verstärkt „kulturwissenschaftliche Fragestellungen auf das Phänomen Karl May übertragen werden“ – und zwar mit folgenden Ergebnissen: Der Bestsellerautor entpuppe sich immer mehr als „ein unterschätzter Brückenbauer zwischen den Kulturen“, dessen Werke „eine implizite Reflexion über das Fremde, den Orient und die Frage der Interkulturalität“ enthielten. Ebenso werde er als „Weltanschauungsschriftsteller“ gesehen, dessen Old Shatterhand die „Inkarnation westlicher Kulturkritik an Kapitalismus und Imperialismus“ sei. Darüber hinaus gebe es Bestrebungen, den Fall Karl May zu nutzen, um „den Umgang von Prominenten mit einer expandierenden Medienöffentlichkeit und den daraus resultierenden neuartigen Strukturen der Aufmerksamkeitserregung historisch zu veranschaulichen“. Das alles wertet Michalka als die eigentliche Entdeckung Karls Mays. Man könnte das Ganze freilich auch als subtilen Versuch ansehen, eine Entfremdung zwischen Leserschaft und Autor herbeizuführen.

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