© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Wowereits Absturz
Flughafenaffäre: Berlins Regierenden Bürgermeister hat das politische Glück verlassen
Ronald Berthold

Es ist Zeit für einen Abgesang. Mit Klaus Wowereit geht es politisch zu Ende. Der erste bekennende homosexuelle Politiker Deutschlands, der sich gern dabei fotografieren ließ, wie er Schampus aus roten Pumps schlürfte, ist mehr als angeschossen; er ist politisch lebensgefährlich verletzt. Der Regierende Bürgermeister von Berlin schleppte sich zuletzt in die Sommerpause wie ein verletztes Stück Wild an den Waldrand.

Es sind viele Dinge, die dem einst stets fröhlich, ja überheblich dreinblickenden SPD-Politiker das Leben schwermachen. Das Grinsen in seinem Gesicht ist einem permanenten Ausdruck der Verzweiflung gewichen. Wowereit ist in den vergangenen Monaten äußerlich um Jahre gealtert. Er hat keinen Spaß mehr an seinem Job, den er selten als Beruf verstanden hat. Das merkt jeder, der ihm nahe kommt. Nach elf Jahren hat ihn tatsächlich der Ernst seines Amtes eingeholt. Das Desaster um den Hauptstadtflughafen BER, für das er als Aufsichtsratsvorsitzender politisch die Hauptverantwortung trägt, könnte sich als letzter politischer Sargnagel in der Karriere des bald 59jährigen erweisen. Die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. Der Schaden für den Steuerzahler nimmt astronomische Ausmaße an. Von bis zu 2,5 Milliarden Euro Mehrkosten ist die Rede. Zum Vergleich: Die Stadtschloßfassade, die sich der Staat nicht leisten kann und die über Spender finanziert wird, kostet 80 Millionen Euro.

Außerdem ist völlig unklar, wann der nach eigener Aussage „modernste Airport Europas“ tatsächlich eröffnet. Die Verschiebung auf März 2013 scheint nur eine Etappe zu sein. Bis die EU alle Genehmigungen erteilt hat, könnten noch Jahre vergehen. Selten hat sich Deutschland international so blamiert.

Das kommt eben davon, wenn man sich im Licht eines Projektes sonnen möchte, ohne dafür zu arbeiten, heißt es in der Hauptstdt. Und tatsächlich ist genau das passiert. Unbedingt wollte Wowereit den Aufsichtsratsvorsitz der Flughafengesellschaft übernehmen. Seinen Parteifreund, den brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, drängte er an den Rand. Allen Erfolg und Ruhm für das derzeit größte Infrastrukturprojekt Deutschlands wollte Wowereit allein einheimsen – mit Blick auf die Kanzlerkandidatur 2013.

Daß nun alles in die Hose geht, mag die gerechte Strafe für jemanden sein, der nur repräsentieren, nicht aber die Ärmel hochkrempeln möchte. Die Aufsicht, die mit seinem Posten als erstes und nicht nur dem Namen nach einhergeht, hat er dramatisch vernachlässigt. All die schlechten Nachrichten erwischten den Strahlemann auf dem falschen Fuß. Nichts, aber auch gar nichts von den gigantischen Problemen rund um den Flughafen BER hat Klaus Wowereit geahnt, geschweige denn gewußt.

Hochmut kommt vor dem Fall. Auch innerparteilich eilt der siegesgewohnte Berliner von Niederlage zu Niederlage. Der neue SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh – nicht unbedingt ein Sympath und mit Wowereit alles andere als auf einer Wellenlänge – zeigte schnell seine Folterinstrumente und desavouierte den Regierenden Bürgermeister am laufenden Meter. Entscheidungen des Senats konterkariert der im Westjordanland geborene Mittdreißiger, wo er kann.

Die Partei schoß Wowereit nun auch seinen treuesten Gefolgsmann weg. In einer für eine Regierungspartei beispiellosen Aktion wählte der Landesparteitag den Vorsitzenden Michael Müller ab – entgegen dem Willen des Alphatieres, das der Tagesspiegel inzwischen in „Beta-Tier“ umgetauft hat. Anstelle des spröden und von Wowereit bereits als seinen Nachfolger auserkorenen Müller installierten die Delegierten den Sprecher der Parteilinken, Jan Stöß, an der Spitze. Der gilt als guter Kumpel von Saleh. Gemeinsam werden die beiden Wowereit das Leben noch schwerer machen.

Derzeit aber muß das linke Duo hoffen, daß Wowereit durchhält – auch wenn Stöß und Saleh die Koalition mit der CDU lieber heute als morgen beenden würden, um sich einem Bündnis mit Grünen und Linken hinzugeben. Auch wenn Wowereit im Ansehen der Berliner rapide vom Dauerspitzenplatz ins Mittelfeld abgerutscht ist, so ist er doch immer noch das Gesicht der SPD. Er verfügt über ein gewisses Charisma, das seine Herausforderer nicht mitbringen. Ein Sturz Wowereits zum jetzigen Zeitpunkt wäre gefährlich, droht der SPD doch der Absturz in die Bedeutungslosigkeit bei der nächsten Wahl.

Wowereit ist ein Stimmungsmensch. Ihm ist durchaus zuzutrauen, daß mit dem sinkenden Spaßfaktor auch seine Bereitschaft sinkt, sein Amt weiter auszuüben. Denn erstmals muß er sich wirklich quälen. Bei der Modemesse auf dem von ihm stillgelegten Flughafen Tempelhof blühte er vor den Ferien noch einmal auf. Er konnte Modeschauen eröffnen und mit Models posieren. Da war er in seinem Element. Doch die „Bread & Butter“ ist vorbei. Der Berliner Sommer ist über weite Strecken kalt, grau und verregnet. Es gibt derzeit kaum etwas, das die Laune des „Partymeisters“ aufbessern könnte.

Seine Zeit ist abgelaufen. Niemand weiß das besser als er selbst. Es kann sein, daß Wowereit mit einem Paukenschlag die Reißleine zieht und zurücktritt. Er wäre dann wenigstens Herr dieses Verfahrens gewesen.

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