© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Die Nerven liegen blank
FDP: Der Streit um die Euro-Rettung entwickelt sich für die Liberalen und Parteichef Philipp Rösler immer mehr zur Zerreißprobe
Werner Becker

Wie es derzeit um den Rückhalt von FDP-Chef Philipp Rösler in seiner Partei bestellt ist, läßt sich an den Planungen für den Bundestagswahlkampf ablesen. Dort soll der Parteichef nur eine Nebenrolle spielen, berichtet der Spiegel unter Berufung auf Parteikreise. Als Grund werden die anhaltend schlechten Umfragewerte Röslers genannt. Der Wirtschaftsminister gilt als das unbeliebteste Kabinettsmitglied.

Durch die jüngsten Äußerungen des FDP-Chefs zu einem möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone ist der innerparteiliche Druck noch einmal deutlich gestiegen.

Rösler hatte am Wochenende in einem Fersehinterview angezweifelt, daß Griechenland die von der EU geforderten Reformen erfolgreich umsetzen könne. „Ich bin mehr als skeptisch“, sagte der FDP-Chef in der ARD. Allerdings habe ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone für ihn mittlerweile längst seinen Schrecken verloren. „Wenn Griechenland seine Auflagen nicht erfüllt, dann kann es keine weiteren Zahlungen mehr geben“, unterstrich Rösler. Athen werde dann zahlungsunfähig sein, wodurch es vermutlich zu einer Diskussion in Griechenland kommen werde. „Die Griechen werden dann selber zu der Überzeugung kommen, daß es vielleicht klüger ist, aus der Euro-Zone auszutreten“, erläuterte der Minister.

Nicht nur vom politischen Gegner, auch aus den eigenen Reihen gab es daraufhin Kritik. Der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis griff seinen Parteichef ungewöhnlisch scharf an und bezeichnete dessen Äußerungen als „fahrlässig“ und „unverantwortlich“. Die Reaktionen des Rösler-Lagers ließen nicht lange auf sich warten. Der Bundestagsabgeordnete Patrick Meinhardt forderte Chatzimarkakis zum Rücktritt auf. Dieser habe sich mit seiner „unverschämten und unseriösen Kritik“ an Rösler vollständig ins Abseits manövriert, schrieb Meinhardt auf Facebook. „Das Ausmaß der Unprofessionalität unseres Europaabgeordneten überrascht leider nicht mehr. Ich schäme mich, daß unsere Partei einen Europaabgeordneten hat, der vollkommen unkoordiniert wild verbal um sich schlägt und den Liberalen damit erheblichen Schaden zufügt. Auf welchem Planet lebt eigentlich Chatzimarkakis? Anscheinend muß er erinnert werden, daß er für Deutschland und nicht für Griechenland im Europäischen Parlament sitzt“, so Meinhardt weiter.

Unterstützung für seinen Griechenlandkurs erhält der angeschlagene Parteichef auch aus der bayerischen FDP-Landtagsfraktion. „Rösler hat endlich die Wahrheit ausgesprochen“, sagte der europapolitische Sprecher Thomas Dechant der JUNGEN FREIHEIT. Die Angriffe Chatzimarkakis sind für ihn schlicht „unerträglich“. Dechant, der zum Kern des „Liberalen Aufbruchs“ gehört, war bereits in der Vergangenheit scharf mit der Euro-Rettungspolitik und der FDP-Bundestagsfraktion ins Gericht gegangen. „Wenn die FDP im Bundestag nicht völlig enttäuschen will, darf sie über das bisher Beschlossene nicht mehr hinausgehen.“ Und selbst das hätten viele nur mit Bauchschmerzen geschluckt, ist sich der Landtagsabgeordnete sicher. An eine Rebellion an der Basis glaubt Dechant nicht mehr. „Wir haben im ersten Halbjahr 4.000 Mitglieder verloren, die der Euro-Rettungspolitik sehr kritisch gegenüberstehen.“ Eine weitere Austrittswelle sei deswegen viel wahrscheinlicher. Und falls die FDP nun doch neuen Rettungspaketen oder einer Ausweitung des ESM zustimmt? „Dann werde ich der Bundestagsfraktion im Wahlkampf meine Unterstützung verwehren.“

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