© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Wegen der Euro-Krise schafft Spanien die Siesta ab
Iberische Symbolpolitik
Michael Manns

Spanien geht es schlecht, sehr schlecht: 25 Prozent Arbeitslosigkeit, die Wirtschaftsleistung immer schwächer. Die Regierenden ziemlich verzweifelt. Das ist dann die Stunde durchgeknallter Ideengeber. Die neueste: Die Siesta soll abgeschafft werden. Schluß mit den leergefegten Straßen. Jetzt heißt es: länger ranklotzen. Motto: Sind alle Geschäfte mittags durchgehend auf, geben die Touristen mehr Geld aus. Die Symbolpolitik soll zeigen: Das Land zeigt Dynamik, Tatkraft, Wille zur Leistung!

Sinnvolle Therapie oder Milchmädchenrechnung? Kurz überschlagen: Die jährlich 53 Millionen Touristen sollen es richten – aber selbst wenn durchschnittlich jeder (von Oma bis Kleinkind) in seinem Urlaub dann 100 Euro mehr ausgibt, summiert sich das auf „nur“ 5,3 Milliarden. Das wird Spanien auch nicht retten. Außerdem: Umsatzbremsend wird sich die Erhöhung der Mehrwertsteuer auswirken. Die Inlandsnachfrage bricht sowieso immer mehr zusammen. Und in den Touristenhochburgen wie Mallorca oder auf den Kanaren sind in der Hochsaison die Geschäfte durchgehend von 9 bis 22 Uhr auf. Fazit: Die Touristen können gar nicht so viel Geld verpulvern, um Spaniens Karren aus dem Dreck zu ziehen. Das Land ist ja nicht in Schwierigkeiten, weil es zwei Stunden jeden Tag mittags in der Sonne geträumt hat. Spaniens Elend wurde nicht durch die Gammelei hervorgerufen. Sondern durch Provinzfürsten, die sich Betondenkmäler setzen wollten und unsinnige Immobilien hochzogen. Und nimmersatte Anlagehaie in den Banken, die dafür die Milliarden spendierten – bis die Blase platzte.

Man könnte die Logik ja einmal umdrehen: Hätten die verantwortungslosen Verantwortlichen den ganzen Tag Siesta gehalten, wäre die Katastrophe vielleicht nicht passiert. Denn langandauernde, gepflegte Nickerchen hätten all die schwachsinnigen Entscheidungen verhindert, und das Land wäre nicht gegen die Wand gefahren worden.

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