© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Vor der Schuldenrevolution
Euro-Krise: Nicht die Rettung der Währungsunion ist alternativlos, sondern inzwischen nur noch eine deutsche Währungsreform
Bernd-Thomas Ramb

Während in Deutschland Staatspapiere mit einem Zinssatz von etwas über einem Prozent hinreichend Abnehmer – vor allem aus dem Ausland – finden, müssen andere Euro-Staaten für längerfristige Kredite den Investoren steigende Zinsen anbieten: Griechenland muß mit über 26 Prozent locken, Portugal mehr als elf Prozent berappen und die als „Todesmarke“ angesehenen sieben Prozent muß nicht nur Irland überbieten, sondern dies gilt mittlerweile auch für spanische und italienische Staatsanleihen. Das Auseinanderklaffen der Zinssätze wird europapolitisch als Druck interpretiert, die Finanzmärkte der Euro-Länder für Staatsanleihen zu verschmelzen.

Ob Euro-Bonds, Bankenunion oder Rettungsfonds ESM, alle Bestrebungen dienen letztlich allein der Zinsentlastung der Risikostaaten. Im Ergebnis wird sich jedoch kein mittleres Zinsniveau der aktuellen Zinshöhen einstellen. Die bisherigen Niedrigzinsländer, Deutschland und die Niederlande, werden vom Risikoaufschlag angesteckt, so daß der einheitliche Zinssatz der vergemeinschafteten Staatsschulden deutlich oberhalb des bisherigen Mittelwertes liegen wird.

Die zweite Front bei der Bekämpfung erhöhter Zinssätze in den Euro-Krisenstaaten bildet die Europäische Zentralbank (EZB), in Gemeinschaft mit dem zugehörigen Europäischen System der Zentralbanken (ESZB), dem Zusammenschluß der nationalen Zentralbanken der am Euro beteiligten Staaten. Einerseits hat die EZB begonnen, Staatsanleihen aufzukaufen. Damit wird ein Verbot übertreten, nach dem Zentralbanken allenfalls die im Besitz von Geschäftsbanken befindlichen Staatsanleihen beleihen, aber niemals aufkaufen dürfen, schon gar nicht von den emittierenden Staaten direkt. Die Folge ist die verstärkte Ausschüttung von frischem Zentralbankgeld in den Wirtschaftskreislauf ohne realen Gegenwert.

Zweitens wird mit der Ermöglichung eines kreditfinanzierten Zahlungsausgleichs zwischen den nationalen Zentralbanken (Target2, JF 18/12) die Emission frischen Zentralbankgeldes außerhalb des Kontrollbereichs der EZB ermöglicht. Die zunehmende Nutzung dieser Gelddruckmaschinerie hat zu einem explosionsartigen Anstieg der „sonstigen Forderungen“ der Deutschen Bundesbank von 20 auf 700 Milliarden Euro innerhalb der letzten vier Jahre geführt. Im Gegenzug ist wieder Geld in den Umlauf geraten, das kaum durch Sachwerte gedeckt ist.

Die steigende Flut an Zentralbankgeld bei stagnierendem Wirtschaftswachstum in den Euro-Ländern – selbst das wirtschaftsstarke Deutschland kommt kaum über ein Prozent – erhöht zwangsläufig das Inflationspotential. Auch wenn die Preise für die Lebenshaltung noch in einem relativ geringfügigen Ausmaß von zwei bis drei Prozent steigen, ist bereits jetzt ein deutliches Anziehen der Preise für Sachvermögensgüter wie Gold, Immobilien und anderes festzustellen. Über Inflation wird jedoch eine dauerhafte Entlastung bei der Staatsverschuldung erfahrungsgemäß nie erreicht. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, daß inflationsbedingte Steuermehreinnahmen keinesfalls zum Abbau der Schulden eingesetzt wurden.

Die explodierende Geldmengenausweitung wird daher letztlich zu einer Hyperinflation führen, wobei sich gleichzeitig die Forderungskonten der EZB und der Bundesbank mit immer mehr ungedeckten Kreditabsicherungen anfüllen. Bei den zu erwartenden Zahlungsausfällen entstehen entsprechende Verluste der EZB und der kreditgewährenden nationalen Zentralbanken, die zu einer Belastung der nationalen Schuldenkonten führen. Die Schuldenberge werden zusätzlich durch die direkte staatliche Übernahme der Schulden der finanzschwachen Euro-Länder erhöht. Deutschland hat mit seinen staatlichen Schuldenbergen bereits jetzt die Marke von zwei Billionen Euro überschritten.

Im Zuge der mißglückten Euro-Rettung und der damit verbundenen Schuldenübernahme externer Staatsschulden kann der deutsche Schuldenberg in den nächsten vier Jahren auf die Gesamtsumme von drei bis fünf Billionen Euro ansteigen. Gleichzeitig ist mit einem Anziehen der Zinsen zu rechnen, die sich seit Beginn des Euro auf historischen Tiefständen bewegen. Die Belastung der Haushalte von Bund und Ländern wird dann so stark, daß sich der Widerstand gegen den Euro, aber auch gegen die angehäuften Staatsschulden immer stärker manifestiert. Zustände wie heute in Griechenland können dann auch in Deutschland zum Alltag gehören.

In Deutschland wird sich zudem der Bevölkerungsrückgang immer stärker auch finanzpolitisch auswirken. In den nächsten vier Jahrzehnten wird die Zahl der Erwerbsfähigen deutlich sinken, während die Zahl der Alten stark zunimmt. Lag die Schuldenlast pro Erwerbsfähigen im Jahr 2010 noch unter 40.000 Euro, so steigt dieser Betrag – selbst wenn zwischenzeitlich wider Erwarten keine neuen Schulden hinzukämen – bis zum Jahr 2030 auf über 50.000 Euro.

Die dreifache Belastung der kommenden Generation der Erwerbsfähigen: erhöhte Last wegen der Versorgung der Alten, steigende Pro-Kopf-Verschuldung, wachsende Belastung durch Schuldenbedienung (Tilgung und Zinszahlung) bei gleichzeitigem Wunsch, selbst ein würdiges Leben führen zu können und auch Kinder aufziehen zu wollen, wird zu der Forderung führen, den Ballast durch eine Währungsreform zu erleichtern. Folgen die herrschenden Politiker diesem Appell nicht freiwillig, wird der Druck der Straße die Schuldenablösung durch eine Währungsreform revolutionär durchsetzen.

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