© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

EZB-Chef Draghi will „alles“ für den Erhalt des Euro tun
Im Stich gelassen
Wilhelm Hankel

Noch solch ein Sieg über die Römer, und wir sind verloren – das soll Pyrrhus, der König von Epirus nach seinem knappen Sieg von Ausculum (279 v. Chr.) ausgerufen haben. Etwas Ähnliches wiederholte sich letzte Woche im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB). Zwar gelang es Bundesbankpräsident Jens Weidmann noch einmal, den Sturm des „Römers“ Mario Draghi (Präsident der EZB) und seiner Verbündeten aus dem Mittelmeerraum auf die letzte Bastion der Geldwertstabilität in der Euro-Zone: die strikte und in den EU-Verträgen verankerte Trennung von Geld- und Fiskalpolitik, abzuwehren.

Die EZB wird zumindest vorerst keine weiteren Schrottanleihen aus den konkursbedrohten Südstaaten der Währungsunion ankaufen. Doch es ist Weidmanns letzter Sieg. Draghi und seine Kohorten planen den nächsten Sturm. Er kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Man weiß nicht, was fassungsloser macht: die Dreistigkeit, mit der die sogenannten Euro-Retter ihre fortgesetzten Rechts- und Vertragsbrüche zur Maxime und Rechtfertigung ihres Handelns erklären – oder die Apathie der Eliten.

Römisches Recht, die Wiege des Rechtsstaates in Europa, hat ausgedient. „Not kennt kein Gebot“ steht in keiner europäischen Verfassung, nur in den Handlungsanweisungen für Autokraten und Möchtegerndiktatoren. Nicht minder beschämend ist die Gleichgültigkeit, mit der Deutschlands Führungselite auf die permanente Mißachtung der legitimen Ansprüche des Bürgers durch die EU-Organe reagiert. Sparer und Steuerzahler haben ein Recht auf stabiles Geld, die Begrenzung der Staatsschuld und des steuerlichen Überdrucks. Die Regierung wagt es nicht, ihren Bundesbankpräsidenten in seinem Kampf für stabiles Geld zu verteidigen. Ihr Vertreter in der EZB, Ex-Staatssekretär Jörg Assmussen (SPD), stimmt sogar gegen ihn; das Amt ist ihm wichtiger als die Sache.

Und die deutsche Wirtschaft? Fast alle ihre Exponenten (und schlechten Berater) begreifen noch immer nicht, daß sie mit einem weichen Euro keine guten Geschäfte mehr machen werden – schon gar nicht im Export. Mit Euro-Inflation, explodierenden Staatschulden und Steuern verliert Deutschland seine Attraktivität als Standort, den deutschen Unternehmen kommen ihre Produktivitäts-, Wettbewerbs- und Kostenvorteile abhanden. Nur ein paar alte Professoren, eine Handvoll Abgeordneter, die es noch wagen, dem Gewissen statt der Fraktionsdisziplin zu folgen und eine zunehmend breitere Bürgerrechtsbewegung trägt (und finanziert) den Kampf gegen Deutschlands fortschreitende Kolonisierung durch die EU. Drohte nicht ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht – alle Dämme wären längst gebrochen. Deutschland schafft sich nicht ab; seine Führung läßt es im Stich.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel war Leiter der Währungsabteilung des Wirtschaftsministeriums und Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht. Er klagte mit Fachkollegen gegen die Griechenlandhilfe und den Euro-Rettungsschirm.

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