© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Ideologie der Ideologiefreiheit: Der „Wiener Kreis“ im Kalten Krieg
Überleben unter McCarthy sichern
(ft)

Der „Wiener Kreis“, der in den 1920ern, in der ersten österreichischen Republik, Philosophen, Natur- und Sozialwissenschaftler vereinte, und der sich 1938, als viele der jüdischen Mitglieder emigrierten, auflöste, stärkte in Großbritannien und den USA die Tradition antimetaphysischen Denkens. Der jüngeren Forschung ist jedoch aufgefallen, daß Emigranten wie Rudolf Carnap, Otto Neurath und Philipp Frank, die wie die meisten Wissenschaftler des Kreises linken Ideologien anhingen, sich in ihrer neuen Heimat entpolitisierten. Der in Wien mit sozialistischen und militant antiklerikalen Ideen befrachtete „logische Empirismus“ verwandelte sich in der angelsächsischen Umgebung in eine Wissenschaftstheorie, die die „Wertfreiheit“ wissenschaftlicher Erkenntnis, deren Unabhängigkeit von politischen oder religiösen Kontexten propagierte. Anknüpfend an US-Historiker führt Anna Leuschner (Institut für Technologie, Karlsruhe) diesen Bruch auf die Bedingungen des „Kalten Krieges“ zurück (Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 2-2012). Nur die streng apolitische, unmittelbar technischen Interessen dienende Version der analytischen Wissenschaftsphilosophie sei in der antikommunistischen McCarthy-Atmosphäre überlebensfähig gewesen, während politisch engagierten Projekten schon in den 1940ern von der Rockefeller Foundation die Mittel entzogen wurden.

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