© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Schweres Wetter in Sicht
Perspektiven der konventionellen Landwirtschaft / Biohöfe kein Ausweg, sondern nur Ergänzung
Michael Nitsch

Die Zahl der Bauernhöfe in Deutschland ist weiter rückläufig. Vor fünf Jahren wurden noch knapp 321.600 Agrarbetriebe gezählt, drei Jahre später waren es laut Agrarbericht 2011 des Bundeslandwirtschaftsministeriums schon 20.900 Höfe weniger. Die verbliebenen Höfe bewirtschaften 17,7 Millionen Hektar Fläche. Insgesamt 1,1 Millionen Beschäftigte zählte die Agrarbranche. Mit weiterem Höfesterben ist zu rechnen.

In volkswirtschaftlichen Statistiken ist der Bauer ohnehin bedeutungslos, denn infolge der außerordentlichen Technisierung sind nur noch zwei Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, die mit einem Prozent an der Bruttowertschöpfung beteiligt sind. Wenn man allerdings die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche (Dünger- und Futtermittelindustrie, Landmaschinenbau, Ernährungsbranche und Veterinärwesen) mit berücksichtigt, kommt das Agrobusineß immerhin auf zwölf Prozent Anteil bei den Erwerbstätigen, die neun Prozent der Brutto­wertschöpfung erwirtschaften.

In diesen von Werner Klohn (Institut für Strukturforschung und Planung in agrarischen Intensivgebieten/Uni Vechta) präsentierten Zahlen spiegelt sich das vorläufige Ende des Umbaus der Agrar- zur Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Sie verdecken zugleich die wahre, statistisch kaum meßbare Bedeutung der Landwirte, die für Klohn darin liegt, daß sie als größte Flächennutzer vielfältige umweltbezogene Leistungen erbrächten. Vor allem prägten sie das Landschaftsbild entscheidend und schüfen damit die Basis für den Tourismus in ländlichen Räumen.

Ob dies in absehbarer Zukunft so bleiben wird, ist aber zumindest ungewiß. Denn der Strukturwandel stabilisiert sich nicht auf dem gegenwärtig relativ niedrigen Niveau, auf das die Mitte des 19. Jahrhunderts dominante Landwirtschaft heute gegenüber anderen Branchen abgesunken ist. Sowohl bei den Getreidebauern wie bei den Viehzüchtern seien rückläufige Betriebszahlen zu registrieren, verbunden mit gleichzeitigem Größenwachstum der verbleibenden Betriebe.

2007 lag die durchschnittliche Hofgröße bei 52 Hektar, 2010 waren es schon 56 Hek­tar. Der Anteil der Großbetriebe (über 100 Hektar) wuchs auf 55 Prozent. Der Trend zum Großbetrieb sei ungebrochen und schreite unaufhaltsam voran, da 2010 nur ein Drittel der Familienbetriebe mit einem mindestens 45jährigen Betriebsinhaber einer geregelten Hofnachfolge entgegensah.

Die düsteren Perspektiven resultieren für Klohn neben dem brutaler werdenden globalisierten Wettbewerb in erster Linie aus härteren Vorgaben im Umwelt- und Tierschutz. So dürfen ab 2013 Sauen nicht mehr einzeln, sondern nur noch in Gruppen gehalten werden, Erleichterungen für Rinder, Milchkühe und Ferkel sind in der Diskussion und könnten bald in gesetzlichen Regelungen münden. Hinzu kämen „stetig verschärfte Auflagen“ bei der Verwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie zur Vermeidung von Ammoniak­austrägen aus Tierhaltungsanlagen.

Noch fern am Horizont, aber durchaus schon abschätzbar, seien die Folgen des Klimawandels. Wetterextreme würden sicher zunehmen, und in Mitteldeutschland könnten „vermehrt niederschlagsfreie Perioden auftreten“, was landwirtschaftliche Dürreschäden zur Folge habe. Bei sich erhöhenden Temperaturen müsse mit der Ausbreitung neuer Tierseuchen, mit neuen Pflanzenkrankheiten und Schädlingen gerechnet werden.

An diesem Entwicklungspfad der deutschen Landwirtschaft werde auch der Ökolandbau nichts ändern, der 2010 mit 16.500 Biobetrieben lediglich sechs Prozent der verfügbaren Fläche bewirtschaftete. Deren Bioprodukte hatten nur 3,4 Prozent Umsatzanteil am gesamten Lebensmittelmarkt. Der ökologische Landbau bleibe damit nicht mehr als eine „Ergänzung der konventionellen Landwirtschaft“ (Geographische Rundschau, 7-8/12).

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