© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Christoph Luxenberg ist ein Alias. Wer ist der Koranforscher? Warum bleibt er anonym?
Der Rätselhafte
Wolfgang Kaufmann

Szenen aus der arabischen Welt: Studenten stürzen Professor Suliman Bashear in der Universität Nablus aus dem Fenster; der Sufi-Theologe Mahmud Muhammad Taha wird in Khartum öffentlich gehenkt; Faruq Foda, ein ägyptischer Publizist, stirbt in Kairo von Schüssen getroffen. Sucht man nach den Motiven für diese Gewalt, so stößt man stets auf denselben Grund: Die Opfer hatten es gewagt, unorthodoxe Gedanken über die Natur des Koran zu äußern.

So läßt sich erahnen, welches Risiko ein Wissenschaftler eingeht, der eine gänzlich neue Interpretation der heiligen Schrift der Muslime vorlegt. Und es wird nachvollziehbar, warum das Buch „Die syro-aramäische Lesart des Koran. Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache“ 2000 unter Pseudonym erschien. Denn der Verfasser, der sich Christoph Luxenberg nennt, behauptet, der Koran gebe im Grunde nur das religiöse Credo einer christlichen Sekte wieder.

Seit dem Erscheinen des Werkes, das eine regelrechte philologische Großdebatte auslöste und zugleich natürlich auch viel Unwillen in der islamischen Welt erregte, wird intensiv darüber spekuliert, wer wohl hinter dem Decknamen stecke, der offensichtlich eine Hommage an den Aufklärer Georg Christoph Lichtenberg darstelle. So vermelden muslimische Netzseiten, es handele sich um einen christlichen Geistlichen aus dem Nahen Osten. Dahingegen schreibt Zainab A. Müller in der Zeitschrift Aufklärung und Kritik, der arabischstämmige Luxenberg habe in Heidelberg im Fach Semitistik promoviert und sei dann um 1985 herum an die Universität des Saarlandes gegangen, an der er noch heute lehre. Damit wäre das Inkognito gelüftet, wenn das Profil denn auf jemanden passen würde, was aber nicht der Fall ist.

Ebenso scheiden sich die Geister bei der fachlichen Bewertung: Nicht wenige Wissenschaftlerkollegen feiern Luxenberg als Heros, der die Islamforschung revolutioniert habe. Kritiker wie Simon Hopkins hingegen attestieren ihm eine „hanebüchene Philologie und exegetische Kaprizen“. Außerdem wird das Pseudonym bemängelt, weil das den fachlichen Dialog behindere. Luxenberg selbst gibt hierzu an, auf den Rat seiner muslimischen Freunde hin gehandelt zu haben; zwar müsse er wohl keine Fatwa befürchten, aber in die Köpfe einzelner Extremisten könne niemand schauen. Im übrigen seien viele Muslime seinen Thesen gegenüber aufgeschlossen – Teheraner Diplomaten hätten sein Buch sogar kistenweise geordert, um es unter den schiitischen Religionsgelehrten zu verteilen. Deshalb steht zu vermuten, daß auch sein gerade erschienener sechster Aufsatzband auf breites Interesse stoßen wird. Darin bietet Luxenberg eine neue Lesart der Sure vier, wonach ein Muslim keineswegs mehr als eine Frau habe dürfe. Womit etwa Osama bin Laden wegen seines Lebenswandels – er hatte vier Frauen – nun postum als vom Islam Abgefallener dasteht.

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