© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Eine selten dämliche Truppe
Science-fiction-Spektakel: Regie-Altmeister Ridley Scott schickt das Raumschiff „Prometheus“ auf die Suche nach der Herkunft der Menschheit
Claus-M. Wolfschlag

Wenn Regie-Legende Ridley Scott (74) einen neuen Film der Öffentlichkeit präsentiert, sind die Erwartungen hoch. Zu hoch, möglichenfalls. Der Altmeister hat sich durch Filme wie „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979), „Blade Runner“ (1982), „Thelma & Louise“ (1991) oder „Gladiator“ (2000) über Dekaden einen Namen als Kultregisseur gemacht. Was bei anderen als großes Werk gelten könnte, wird somit bei Scott einer besonders kritischen Wertung unterzogen.

Nun hat er mit „Prometheus“ einen Science-fiction-Film geschaffen, der an die Ursprünge seiner Laufbahn zurückführt, an seinen ersten großen Erfolg „Alien“. Der Film stellt gar ein eigenständiges Prequel zu „Alien“ dar, konstruiert also eine Vorgeschichte. „Prometheus“ arbeitet dabei zwar mit vielen neuen Einfällen, omnipräsent sind dennoch die Anleihen bei der „Alien“-Reihe: Da ist beispielsweise wieder ein nüchtern agierender Android, wenn auch diesmal von Shooting-Star Michael Fassbender recht verspielt dargestellt. Da wird die Protagonistin, wie weiland Sigourney Weaver in „Alien3“, von den außerirdischen Monstern „befruchtet“ und trägt einen grauseligen Säugling in ihrem Bauch. Da tropft wieder der Schleim von der Decke, und jene glitschig-grausame Alptraumwelt H.R. Gigers erwacht aus dem Dornröschenschlaf.

Der Film startet mit einer Art Story à la Erich von Däniken. Wissenschaftler werden auf geheimnisvolle Symbole aufmerksam, die sich weltweit an vor- und frühgeschichtlichen Funden nachweisen lassen und die offenbar alle auf ein bestimmtes Ziel im Weltall hindeuten. Könnte dort die Herkunft der Menschheit liegen? Mit dem Raumschiff „Prometheus“ wird eine internationale Wissenschaftler-Crew zu einer Mission in Richtung des fernen Sterns LV-223 entsandt, der Ende des 21. Jahrhunderts erreicht wird. Die Crew landet auf dem kargen Planeten in der Hoffnung, dort dem Schöpfer der Menschheit begegnen zu können. Und wahrlich kann sie offenbar von zivilisatorischer Hand errichtete Bauten entdecken. In dem weitverzweigten Höhlensystem im Inneren dieser pyramidenartigen Gebäude entdecken sie nicht nur Zeugnisse einer alten Kultur, sondern auch eine große Anzahl grausamer, gefährlicher Bestien.

Anzulasten ist dem Streifen, daß er unentschlossen ist, ob er eine ernstzunehmende Reise zu den Grundfragen der Menschheit unternehmen möchte, womöglich eine Art modernes „2001“, oder ob es sich nur um ein kommerzielles Action-Spektakel handeln soll. Im ersten Fall ist der Versuch leider teils mißlungen, im zweiten hätte es des philosophischen Überbaus nicht benötigt, der in solchen Kontext gestellt bisweilen ins Lächerliche gerät.

Traurig ist für einen in weiten Teilen optisch großartigen Film, daß der Genuß immer wieder durch Unausgegorenheiten und grobe B-Movie-Fehler gestört wird. Eine selten dämliche Truppe befindet sich dort nämlich auf der Reise durch fremde Galaxien und belegt, daß die allgemeine Verblödung im Laufe der Jahrzehnte offenbar zunehmen wird, paradoxerweise trotz einer offenbar beeindruckenden technologischen Weiterentwicklung.

Völlig tolpatschig, undiszipliniert und ohne wissenschaftliche Vorsichtsmaßnahmen etwa stolpern die Raumfahrer durch das entdeckte Höhlenlabyrinth. Der Zweck ihrer Mission wurde den meisten ohnehin erst kurz vor Erreichen ihres Ziels via Hologramm-Botschaft des Sponsors, eines greisen philanthropischen Großindustriellen, mitgeteilt. Kaum Erstaunen löst die Entdeckung einer außerirdischen Zivilisation bei der selbstverständlich multirassischen Raumschiffbesatzung aus. Ein kurzes Innehalten, danach wird umgehend der Arbeitsroutine nachgegangen.

Einige Crewmitglieder sind derartig infantil und töricht, daß man sich fragen muß, wie diese überhaupt durch die Aufnahmeprüfung für eine derartige Raummission gekommen sind. Sie betatschen alle möglichen Gegenstände, ohne zu wissen, was sie damit eigentlich auslösen, verlaufen sich und benehmen sich selbst bei der Begegnung mit einem außerirdischen Ungetüm (eigentlich ja eine Menschheitssensation) derart sorglos, als würde ihnen ein Eichhörnchen im Fichtelgebirge über den Wanderpfad hüpfen. Daß sie wie im traditionellen Teeny-Schlitzer-Film deshalb dezimiert werden, ist nicht nur folgerichtig, sondern wird vom Zuschauer fast als Wohltat empfunden.

Gerettet wird „Prometheus“ dennoch durch atemberaubende Aufnahmen, durch atmosphärisch inszenierte, urtümliche Landschaftsbilder, wie man sie selten im Kino zu sehen bekommt. Ridley Scott präsentiert Szenerien, die schlicht für sich stehen, die unerklärbare Bilder auf die Leinwand bannen. Und immerhin läßt Scott auch das Rätsel der Menschheit letztlich unbeantwortet. Wir tragen das Erbe aus einer anderen Welt in uns, doch warum sie uns verstoßen hat, wissen wir nicht. Und, wer ist der Schöpfer des Schöpfers?

Foto: Wissenschaftler Charlie Holloway (Logan Marshall-Green), Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und Android David (Michael Fassbender): Daß die infantile Raumschiff-Crew dezimiert wird, ist fast eine Wohltat

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