© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Blick in die Medien
Ein Paralleluniversum namens Wikipedia
Toni Roidl

Geschichtsfälschung, Schleichwerbung, Rufmord: 24 deutsche und schweizerische Publizisten haben einen offenen Brief an Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales veröffentlicht. Darin geht es deutlich zur Sache: „Die deutsche Wikipedia ist eine Quelle für ideologisch verbrämte Fehlinformationen.“

Das sitzt! Die Verfasser beklagen zweierlei: Zum einen, daß das Internetlexikon von ideologisch motivierten Personen dominiert und kontrolliert wird, denen es nicht um Information geht, sondern darum, ihre Ideologie als Information zu verpacken. Zum anderen, daß Wikipedia eine anonyme Geheimgesellschaft ist. Wikipedia ist mitnichten „die freie Enzyklopädie zu der du mit deinem Wissen beitragen kannst“, wie es so schön auf der Hauptseite heißt, sondern eine geschlossene Gesellschaft linker Diskurswächter.

Die Briefschreiber haben die Online-Enzyklopädie über Monate beobachtet. Ihre Erfahrungen: Ideologen wie „Schwarze Feder“ liefern sich Editier-Schlachten mit politisch Andersdenkenden. Anhand der Versionengeschichte von Artikeln läßt sich verfolgen, wie verschiedene Lager versuchen, die Änderungen der anderen Seite so schnell wie möglich rückgängig zu machen. Was auf Wikipedia steht, bestimmt nicht der, der mehr weiß, sondern der mehr Pseudonyme und Freizeit hat.

Außerdem meinen die Kritiker: „Das größte Defizit der deutschen Wikipedia ist der relative Mangel an Einzelnachweisen, der keine Überprüfung der Richtigkeit der Angaben erlaubt.“ Und: „Diejenigen, die es nicht besser wissen, sind den Fehlinformationen schutzlos ausgeliefert und eine leichte Beute für Ideologen.“

Das Dilemma ist eine Spirale: Je mehr fähige Autoren von diesem Gebaren abgeschreckt werden, umso mehr leidet die Qualität des Lexikons. Daher fordern die Unterzeichner von Wikipedia einen verbindlichen Kriterienkatalog zur Qualitätssicherung der Beiträge und eine Klarnamenpflicht für die Autoren.

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