© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Frisch gepresst

Bildungsbürger. Von dem Altphilologen und Religionswissenschaftler Walter F. Otto (1874–1958) erzählte man sich, er habe unbekümmert um jede „Aufklärung“ an die Präsenz der antiken Götter geglaubt. Ein Spleen, der ihn nicht zum Sonderling stempelte, denn in der modernen Großstadtuniversität Frankfurt strömte auch das Bildungsbürgertum in seine Vorlesungen. 1934 nach Königsberg strafversetzt, blieb seine Anziehungskraft ungebrochen, nur daß dort auch noch Damen des ostpreußischen Landadels wie Marion Gräfin Dönhoff, mit der Otto dann „sehr befreundet“ war, seinem Auditorium gesellschaftlichen Glanz verliehen. Zu einem Gelehrten dieses Zuschnitts paßte natürlich nur eine extravagante Gefährtin. Dieser Anforderung genügte die Stettiner Arzttochter Katharina (Kete) Parsenow (1880–1960) vollauf. Nach hoffnungsvoller Theaterkarriere unter Max Reinhardt, einer geschiedenen Ehe mit einem in den USA lebenden britischen „Geldsack“, heiratete sie 1914 Otto, pflegte aber alte Wiener Beziehungen, darunter die Duzfreundschaft mit dem Großkritiker Karl Kraus. Viele von dessen Briefen an sie gingen 1945 in Königsberg verloren. Doch genügten die überlieferten Materialien dem Herausgeber Friedrich Pfäfflin, um ein schillerndes Porträt bildungsbürgerlichen Lebens „zwischen Literatur, Theater und Wissenschaft“ zu zeichnen. (ft)

Friedrich Pfäfflin (Hrsg.): „Du bist dunkel vor Gold“. Kete Parsenow und Karl Kraus. Briefe und Dokumente. Wallstein Verlag, Göttingen 2012, gebunden, 253 Seiten, Abb., 24,90 Euro

 

Israelkritik. Die Tochter des langjährigen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, hat sich vor mehreren Jahren durch zu laut geäußerte Kritik an der israelischen Palästinenserpolitik besonders bei den organisierten Judenverbänden äußerst unbeliebt gemacht und ihr gar den Vorwurf des Antisemitismus eingebracht. In ihrer aktuellen Streitschrift wiederholt sie ihre Kritik „an der systematischen Entrechtung der Palästinenser durch Israel“ und reitet eine Philippika gegen den Zentralrat als „Sprachrohr der israelischen Regierung“, gegen die einseitige Medienberichterstattung hierzulande. Daß ihre „Klartexte“ auch noch vom israelischen „Nestbeschmutzer“ Ilan Pappe eingeleitet werden, dürften Henryk M. Broder et al. noch als strafverschärfend werten. (bä)

Evelyn Hecht-Galinski: „Das elfte Gebot: Israel darf alles.“ Klartexte über Antisemitismus und Israel-Kritik. Palmyra Verlag, Heidelberg 2012, broschiert, 223 Seiten, 17,90 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen