© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/12 24. August 2012

Islamisten gegen das Empire
Das Reich des Mahdi im Sudan 1885 bis 1897
Wolfgang Kaufmann

Anfang 1885 wurde der modernen westlichen Welt zum ersten Male eindrucksvoll vor Augen geführt, welche Gefahr selbst von barfüßigen und schlecht bewaffneten moslemischen Glaubenskriegern ausgehen kann. Zu diesem Zeitpunkt nämlich eroberten die Anhänger von Mohammed Ahmed die sudanesische Hauptstadt Khartum und lynchten den dort residierenden britischen Generalgouverneur Charles G. Gordon, der sich strikt geweigert hatte, sein Leben durch Kapitulation beziehungsweise Konversion zu retten; mit ihm starben weitere europäische Diplomaten und Zivilisten.

Ahmed hatte sich selbst zum Mahdi ausgerufen, das heißt zu einer Art Messias, mit dessen Ankunft das ewige Reich der Gerechtigkeit nach islamischem Gusto anbrechen solle. Wie ein solches in der Praxis aussieht, zeigt das Beispiel des Regimes, welches die Mahdisten nach dem Sieg installierten: „Ungläubige“ waren absolutes Freiwild und auch die Moslems unterstanden den rigiden Regeln der Scharia in ihrer archaischsten Lesart, wohingegen der „Erlöser“ in Luxus und Völlerei schwelgte und nicht einmal den Fastenmonat Ramadan heiligte, weswegen er dann auch schon bald an Herzverfettung starb. Details hierzu bietet die lesenswerte Studie von Oeser, der in seinem Vorwort auch betont, daß die Geschichte des Mahdi-Reiches beweise, wie inkompatibel Islam und europäische Kultur und Rechtsordnung seien.

Ebenso aufschlußreich ist die Schilderung des sukzessiven Niedergangs des islamischen Gottesstaates im Sudan, der im weiteren von Kalif Abdullahi geführt wurde. Der fundamentalistische Islam der Mahdisten konnte zwar die Massen zum Aufruhr mobilisieren, versagte aber kläglich bei der Lösung der Aufgabe, ein tragfähiges soziales System zu schaffen. Deshalb erwies sich das Reich des Mahdi als hohler tönerner Koloß, als 1896/97 der Gegenschlag des Westens in Gestalt des Feldzuges von Horatio Herbert Kitchener erfolgte, an dem übrigens auch ein junger Kavallerieleutnant namens Winston Churchill teilnahm. Nach der ersten großen Niederlage in der Schlacht von Omdurman liefen die desillusionierten Soldaten des Kalifen mehrheitlich davon und verzichteten damit auf die verheißene jenseitige Belohnung für einen ruhmreichen Märtyrertod.

Erhard Oeser: Das Reich des Mahdi. Aufstieg und Untergang des ersten islamischen Gottesstaates 1885–1897. Primus-Verlag, Darmstadt 2012, gebunden, 208 Seiten, Abb., 24,90 Euro

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